Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
grinste ihn an und sagte: »Ich hoffe, ich werde mich deiner Wahl würdig erweisen, Bruder!«
    »Du wirst dich als würdig erweisen«, sagte er. »Dessen bin ich mir sicher.«
    Wir betraten das Lager gemeinsam, wobei wir die wunderschönen Federn hochhielten; und einige Knaben vom Hof des Imbe-Jaqqa sahen uns und auch die blutigen Schnitte an unseren Armen. Innerhalb von einer Stunde wußte jeder Jaqqa, was sich auf der Wiese unterhalb der Stadt Dongo zwischen mir und Kinguri ereignet hatte. Den ganzen Tag über flüsterten sie miteinander und warfen mir flüchtige Blicke zu. Selbst Kulachinga, die meine Frau war und eine ehemalige Frau des Imbe-Jaqqa, hielt sich fern von mir, als hätte ich eine weitere Erhöhung durchlebt, die weit über die hinausging, die ich schon erfahren hatte, und die ihr Erstaunen, wenn nicht sogar Schrecken einflößte.
    Denn dies war einer der höchsten Bräuche unter den Jaqqas: daß zwei Männer, die einander schätzten und liebten, des Nachts zu einer langen Reise aufbrachen, die voller Gefahren steckte, eine ungewöhnliche Tat wie etwa den Diebstahl eines Pfaus des Königs Ngola vollbrachten und den Ritus des Vermischens ihres Blutes zelebrierten.
    Ich war nun mit dem zweiten Mann des Reiches verbunden, dem natürlichen Bruder des Imbe Calandola persönlich, was mich gewissermaßen zu einem Mitglied der königlichen Familie machte.
    Wie alle diese Ehren brachte auch diese einen hohen Preis mit sich: Sie stürzte mich noch tiefer in die Rivalitäten am Hofe.
    Diese Jaqqas sind, wie alle Türken oder Tataren oder alle anderen auch, sogar wie wir Engländer mit unseren Kriegen zwischen York und Lancaster, eifersüchtig auf einen, der eine hohe Stellung einnimmt, und schmieden untereinander gewaltige Ränke und Intrigen, um einander zu übertreffen. Dies bekam ich nur allmählich mit, denn zuerst erschienen sie mir alle gleich, und alle schienen in einem Krieg gegen die Menschheit vereint. Doch dies war nur eine Illusion, die mir Machimba-lombos Schwert in meiner Schlafmatte ein für alle Mal genommen hatte. Vereint mochten sie sein, und doch gab es wie in jedem Volk Rivalitäten und Zwietracht.
    So bescherte mir meine Erhebung in die Blutsbrüderschaft mit Kinguri dessen eigene Größe, die sich wie ein Glanz auf mich erstreckte, aber auch die Gefahr, weitere Feinde zu bekommen. Als ich Kinguri um Namen bedrängte, vor denen ich mich vorsehen müsse, schlüpfte er wie Quecksilber vor dem Thema zurück. Trotzdem drängte er mich, scharf auf Zeichen der Feindschaft zu achten. Ich hielt die Augen auf, und ich sah, daß unter den hohen Jaqqas die drei, die Kinguri am treuesten zugetan waren, nämlich Kulambo und Ngonga und Kilombo, die gleiche Zuneigung für mich zu empfinden schienen. Und die drei, die sich immer in der Gunst des Imbe-Jaqqa gesonnt hatten, nämlich Kasanje und Kaimba und Bangala, bedachten mich nun mit Blicken, Stirnrunzeln und Unfreundlichkeit, was mir Unbehagen verursachte. Doch obwohl ich oft daran dachte, wachte ich niemals wieder auf, um zu sehen, wie ein Meuchelmörder sein Schwert über mir hob.
    Ich erinnerte mich an die Warnung des Medizinmannes Kakula-banga und fragte mich, welche Empfindungen mir Calandola nun entgegenbringen würde, nachdem ich mein Blut mit dem Kinguris vermischt hatte. Ich nahm zwar nicht an, daß Kinguri es gewagt hätte, dies ohne die Zustimmung des Imbe-Jaqqa zu tun, wußte es aber nicht genau. Und weil sich sein innerstes Wesen so sehr von dem anderer Männer unterschied, konnte ich mir niemals sicher sein, wie er auf das, was wir getan hatten, reagieren würde.
    Am Tag meiner Blutsbrüderschaft mit Kinguri umarmte mich der Imbe-Jaqqa auf seine zermalmende Art, daß meine gerade verheilte Wunde wieder aufbrach, und rief überaus schallend: »Der Bruder meines Bruders ist mein Bruder!« Und verlangte nach mit Blut vermischtem Wein, den er mit mir teilte. Doch danach fiel mir auf, daß sein Gesicht überaus ernst und nachdenklich war, als sinne er über diese Sache nach und als gefiele ihm die neue Verbindung zwischen Kinguri und mir nicht.
    In den folgenden Tagen nahm Calandola mich oftmals für Stunden ohne Ende an seine Seite und wollte mich nicht von ihm weichen lassen. Manchmal sprach er kein Wort, starrte einfach ins Leere und trank; und ich schwieg neben ihm und spürte die mächtige Ausstrahlung seiner Gegenwart, die insgeheim und leise an meinem Geist arbeitete. Manchmal war er überaus geschwätzig und brüstete sich endlos seiner

Weitere Kostenlose Bücher