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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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wegen des Rauchs und des Anbruchs der Nacht dunkel war, konnte ich diese drei aus der Ferne nicht genau ausmachen, doch an ihrer Kleidung wurde ersichtlich, daß es sich um Portugiesen handelte, und sicher waren es die drei anderen, die Golambolo ergriffen und als Gefangene hierher gebracht hatte. Als Gefangene – und nicht als Abendessen.
    »Das ist ein großes Unrecht, o Fürst Imbe-Jaqqa«, sagte ich zu Calandola, geradeheraus und keiner Diplomatie eingedenk.
    »Was sagst du da?« gab er schnaubend und knurrend zurück.
    »Vor Ndala Chosa lagert ein neues Heer der Portugiesen, und ich weiß nicht, warum. Ich bin den ganzen Weg von Ndala Chosa hierher gekommen, um mit diesen Portugiesen zu sprechen und sie wegen der Bewegungen dieses Heeres zu befragen; deshalb habe ich sie in der Wüste ergreifen und hierherbringen lassen. Und ich muß feststellen, daß du sie kochst, o Imbe-Jaqqa, als wären sie bloße Tiere!«
    »Ah, aus diesem Grund bist du so verärgert? Nicht, weil es dir mißfällt, daß wir Portugiesen kochen?«
    Ich zuckte die Achseln. »Koche sie, brate sie, tue mit ihnen, was du willst. Aber nicht, bevor ich mit ihnen gesprochen habe!«
    Calandolas gewaltiges, dröhnendes Gelächter trieb zu mir herab wie das weiße Wasser, das einen mächtigen Wasserfall hinabstürzt, und er sagte: »Ah, wir haben ein paar ausgespart, damit du sie befragen kannst, Andubatil! Feiere heute abend mit uns, und morgen kannst du mit ihnen sprechen, und an einem anderen Abend werden wir sie dann verspeisen. Nun? Paßt dir das, Jaqqa-Fürst?«
    Die Jaqqa-Schlächter waren schon dabei, die Toten für den Kessel vorzubereiten. Nun, daran ließ sich nichts mehr ändern: Welche Informationen auch immer ich von ihnen erhalten hätte, sie waren verloren und würden nach dem Kochen nicht aufsteigen, um sich abschöpfen zu lassen. Mein Zorn auf Calandola war gewaltig, und zu einer anderen Zeit hätte ich vielleicht dafür leiden müssen, ihn so vor seinem Volk anzusprechen, doch heute abend schien er guter Stimmung zu sein.
    »Ich werde in einem Augenblick zu Euch kommen, Fürst Calandola«, sagte ich. »Ich bitte um die Erlaubnis, zuerst mit den Gefangenen zu sprechen.«
    Er nickte und wandte sich von mir ab, um von einer seiner Frauen eine Schüssel Wein entgegenzunehmen. Ich ging zu der anderen Seite der Kessel, um mir die Gefangenen anzusehen, und ob ich welche davon aus meiner Zeit bei den Portugiesen kannte.
    Und als ich zu ihnen ging, widerfuhr mir eine mächtige Überraschung, die mich bis ins Fundament und die Basis meiner Seele erschütterte: Zwei Portugiesen waren Männer, doch der dritte eine Frau, und damit hatte ich nicht gerechnet. Es war eindeutig eine Frau, obwohl sie ihr Haar zurückgebunden hatte, so daß es nicht länger zu sein schien als das eines Mannes. Ihre Kleidung war zerrissen und zerfetzt, und im kupfrigen Schein des Feuers konnte ich sehen, wie sich ihre vollen, runden, überaus schönen und mit dunklen Warzen versehenen Brüste hoben und senkten. Aye! Und dies waren Brüste, die ich, bei meinem Glauben, überaus gut kannte. Ich wußte, wie sie sich in meinen hohlen Händen anfühlten, und kannte ihren Geschmack an meinen Lippen. Denn diese Frau war Doña Teresa, das Hexengeschöpf mit der dunklen Seele, das ich geliebt hatte und das auch mich geliebt hatte, als ich Andrew Battell war, der englische Seemann aus Leigh in Essex, und von der ich überaus schändlich verraten worden war, was allerdings auch schon ein halbes Leben zurückzuliegen schien. Wäre die Frau, die an den Baum gefesselt war, meine Mutter gewesen, hätte ich nicht entsetzter oder erschrockener sein können, sie hier zu finden.
    In der Halbdunkelheit des schweren Zwielichts starrte sie mich an, und ihre geröteten Augen wurden heller, und sie machte eine Geste des Erstaunens. Und mit einer Stimme, die von Verblüffung beinahe erstickt wurde, sagte sie: »Andres? Andres, ist es möglich? Bist du das wirklich? Andres, in diesem wilden Aufzug?«
    »Aye«, sagte ich, »ich bin Andres.«
    Ihre Lippen zitterten. »Du hast dich sehr verändert, Andres!«
    »Aye«, sagte ich. Nachdem ich diese langen Monate die Jaqqa-Zunge gesprochen hatte, kamen die portugiesischen Worte hart und ungeschliffen über meine Lippen. »Ich habe mich fürwahr sehr verändert. Ich bin kaum noch Andres.«
    »Wenn du nicht Andres bist, was bist du dann?«
    »Ich bin Andubatil Jaqqa«, gab ich zurück.
    »Mutter Gottes«, sagte sie leise. »Dann bin ich

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