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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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verloren!«

9
    Ich trat näher zu ihr, zu dieser Frau, die mir so viel Unrecht angetan und davor so viel Vergnügen bereitet hatte, und betrachtete sie im Licht des hochschlagenden, lodernden Feuers.
    Und ich sah die wilde, panische Furcht in ihren Augen, die für mich so enthüllend waren wie der kostbarste, glänzendste Spiegel. Wie erschreckend mußte der Mann sein, den sie sah! Denn vor ihr stand eine Art Ungeheuer, beinahe nackt, mit Farbe auf dem Körper und barbarischen Perlen und Armringen und zahlreichen Narben, die ich mir im Kampf zugezogen hatte. Sie starrte die zahlreichen Stammesnarben an, die die Medizinmänner der Jaqqas mir unter höchsten Schmerzen in die Haut geritzt hatten, und ein neuer, hellerer Schrecken leuchtete auf ihrem Gesicht. Mein Haar hing bis über meine Schultern hinab und war ein Gewirr dicker Knäuel; mein Bart war so zottig und verfilzt wie der einer Ziege; und obwohl ich seit mehr Monaten, als ich gezählt hatte, mein Gesicht in keinem Spiegel mehr gesehen hatte, wußte ich, daß ich nun ein barbarisches Antlitz mit wilden, harten Augen haben mußte, das kärgliche Fleisch von der gnadenlosen tropischen Sonne hart und sonnenverbrannt.
    Doña Teresa erschauerte und bedeckte ihre Brüste mit dem einen Arm, der nicht gefesselt war. Solch eine Geste der Scham hatte ich bei der hochmütigen, gebieterischen und wollüstigen Doña Teresa zuvor nie gesehen.
    Und ich, was empfand ich, als ich sie anschaute?
    Haß, zuerst und hauptsächlich, und den Wunsch nach Rache. Denn ich hätte längst in England sein können, wäre sie nicht gewesen, die mich fälschlicherweise der Vergewaltigung beschuldigt hatte, woraufhin man mich von dem Schiff des Holländers gezerrt und sechs Jahre lang der Folter im Presidio von Masanganu ausgesetzt hatte, unter der meine Seele beinahe zerbrochen wäre. Und all dies der Eifersucht wegen, einer müßigen Boshaftigkeit, weil ich mit Matamba zusammengelebt hatte. Sie hatte mir das Leben gestohlen, genau wie Cocke, als er mich auf der Insel zurückgelassen hatte, und wie all diese perfiden Hurensöhne von portugiesischen Gouverneuren, die mich lange Jahre in Angola hatten dienen lassen.
    Ich bin weiß Gott ein Mensch von ausgeglichenem Gemüt; doch ich habe Gefühle, bin keine Statue aus Stein und hasse die, die mir Unrecht antun, und ich erfreute mich in diesem Augenblick, Doña Teresa in Angst um ihr Leben zu sehen, während die Kessel schon für sie und ihre Gefährten aufgeheizt wurden.
    Doch diesen Haß empfand ich nur im ersten Augenblick, denn ihre Schönheit schmolz mein Herz, obwohl ich mich so lange danach gesehnt hatte, mich an ihr zu rächen. Und ihr Verbrechen gegen mich schien so lange zurückzuliegen. Es gelang mir nicht, so sehr ich es auch versuchte, meine Rachsucht lange aufrechtzuhalten. Sie entglitt mir wie ein schlüpfriger Aal noch in dem Augenblick, da ich zu ihr hinabschaute und versuchte, Vergnügen an ihrem Sturz zu finden.
    Ich sage Euch, obwohl sie beschmutzt und zersaust und verweint war und obwohl sie mir aus müßiger Eifersucht diese schreckliche, sechsjährige Knechtschaft eingebracht hatte und obwohl ihr irgendwie der Schwefelgeruch der Hexerei anhaftete, schmolz ihre Schönheit meinen Verstand.
    In meinen Augen war sie wunderbar.
    Als sie das erste Mal in meinen Kerker in São Paulo de Luanda gekommen war, hatte sie eine königliche Haltung gehabt. Doch in den dreizehn oder vierzehn Jahren, die seit dem vergangen waren, war sie in der Tat prachtvoll geworden, eine Frau von kaiserlichem Glanz, den nicht einmal ihr jetziger armseliger Zustand verbergen konnte.
    Als ich vor ihr stand und ihr in die Augen sah, zitterte ich, konnte mich aber ansonsten vor dieser plötzlichen wiederauferstandenen Liebe kaum rühren. Doch sie hatte keine Ahnung davon, denn sie sah nur das seltsame Jaqqa-Ungetüm, zu dem ich geworden war. Und noch etwas geschah mit mir, denn ihre wunderbare Schönheit wusch nicht nur meinen lange gehegten Haß auf sie ab, sondern auch die Fremdartigkeit, die auf mir lag, das Jaqqa-Ich, in das ich mich gehüllt hatte. Ich war als Andubatil vor sie getreten, doch nun hörte ich in meinem Kopf, nur die Stimme Andrew Battells, die bei unseren Liebesspielen höchst vergnügt mit ihr englisch sprach und solche Worte wie »Aasfresser« und »Steinmetz« und »Steckrübe« sagte. Was mich in tiefe Verwirrung stürzte und meine Seele gleiten und rutschen ließ, so daß ich mir vorkam wie jemand, der in schwerer Brandung

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