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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Land errichten!
    Ihr könnt an diesen Worten den Konflikt, den Gegensatz erkennen. Denn wie konnte ich daran denken, sowohl etwas zu vernichten als auch etwas aufzubauen, was mir beides gleichermaßen heilig war? Doch in diesem Augenblick waren zwei Seelen in meinem Herzen, eine englische und eine Jaqqa-Seele; und das Wunder daran war, daß ich beide in mir beherbergte und trotzdem nicht wahnsinnig wurde. Ich stand eine lange Weile dort und träumte davon, mit dem Segen des Imbe-Jaqqa, meines Fürsten und Bruders, die Portugiesen zu vertreiben und die Engländer willkommen zu heißen.
    »Kommt«, sagte ich schließlich zu meinen Männern, »Wir müssen dem Imbe-Jaqqa von dieser Armee berichten.«
    So wandten wir uns wieder nach Süden. Auf unserem Rückmarsch trennten wir uns, und die verschiedenen Gruppen zogen durch zahlreiche Täler, so daß wir vielleicht Golambolo begegneten, der ja nordwärts zog, um sich wieder zu uns zu gesellen. Doch wir sahen ihn nicht, obwohl wir große Aufmerksamkeit darauf verwandten, ihn auszumachen. Wir marschierten weiter nach Süden, bis wir beinahe Agokayongo erreicht hatten. Als wir uns diesem Ort näherten, schaute ich in das Tal hinab, in dem die sechs Portugiesen ihr Lager aufgeschlagen hatten, und sah, daß ihre Pferde tot unter dem breitkronigen Baum lagen. Doch von den Portugiesen selbst oder von Golambolo und seinen neun Jaqqas sah ich nichts. Dies verärgerte mich, denn ich wollte vermeiden, daß ein Teil meiner Streitmacht auf der Suche nach mir durch dieses Land wanderte, doch ich sah keine andere Möglichkeit, als nach Agokayongo zu marschieren.
    Als die Stadt in Sicht kam, bot sich mir ein mächtiger und unerwarteter Anblick: Denn nicht die kleine Jaqqa-Gruppe Golambolos, sondern unzählige Tausende von Männern, die gesamte Streitmacht des Imbe Calandola und auch die Truppen des Kafuche Kambara, hatten auf der Ebene ein gewaltiges Lager aufgeschlagen, über dem jubelnd die Banner wehten. Ich schickte einen meiner flinken Jaqqas vor, damit er herausfinden sollte, was sich dort abspielte, und er kehrte bald mit der Nachricht zurück: »Der Imbe-Jaqqa und Kafuche Kambara haben ein Bündnis geschlossen und mit dem Marsch gen Norden, nach Masanganu, begonnen.«
    Nun, während meiner Abwesenheit mußte es zu einem schnellen und geschickten Handel gekommen sein, daß sich die beiden ehemaligen Feinde so schnell und so traulich vereint hatten!
    Meine Fußverletzung war mittlerweile fast ausgeheilt. So schritt ich in der Stunde des Sonnenuntergangs, als der Himmel rostrot gefärbt war, als wolle er über den gesamten Horizont Blut verschütten, an der Spitze meiner Männer schnell zum Herzen des Jaqqa-Lagers. Und ich fand heraus, daß unter großem Trommelschlagen, Tanzen und Gesang ein Fest begonnen hatte. Dieser wilde Lärm ließ mich innehalten, denn ich erkannte ihn als die Musik, die bei den Kannibalen-Festgelagen gespielt wurde. Heute abend würde Menschenfleisch gegessen werden: Doch welche Feinde hatten die Jaqqas gefangen, daß sie sie nun verspeisen wollten?
    Die großen Kessel waren an Ort und Stelle, und das große Feuer war bereits angezündet. Und die Trommeln dröhnten, die Tänzer tanzten, die Nganga -Hexer riefen ihre schrillen Segnungen, wobei der alte Kakula-banga in vorderster Front herumhüpfte, und das Wasser kochte beinahe. Unter der sich einstellenden Dunkelheit hatten sich alle hohen Fürsten der Jaqqas zu ihrem grausamen Fest versammelt: Da war Imbe Calandola, prachtvoll gekleidet und geschmückt, stolz auf seinem Hohesitz, und neben ihm mit ernstem Gesicht mein Blutsbruder Kinguri, auch Ntotela und Kaimba und Kasanje und Ngonga und Zimbo und Kulambo und Bangala, womit alle noch lebenden Jaqqa-Größen versammelt waren, da niemand als Nachfolger von Ti-Bangala und Paivaga ernannt worden war.
    Als sie mich erblickten, grüßten mich alle und jubelten mir zu, und Calandola winkte mir und rief: »Nun, Andubatil, gerade rechtzeitig zum Festmahl zurück?«
    »Aye, und was für ein Fest ist dies?«
    »Nun, wir werden heute gut an drallem, weißem Fleisch speisen. Komm, schnell, geselle dich zu uns!«
    Er lachte und deutete mit der Hand zur anderen Seite der Lichtung, und ich schaute hinüber. Hinter den Kesseln lagen die nackten und blutigen Leichen von drei weißen Männern auf dem Boden. Ihre zerrissene Kleidung neben ihnen. Und drei weitere Gestalten drängten sich mit gefesselten Händen voller Schrecken und Furcht gegen einen großen Baum. Weil die Luft

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