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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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schwankte und taumelte und immer, wenn er aufzustehen versuchte, auf die Knie geworfen wurde und bei diesem Kampf seine Kraft verlor und zu ertrinken drohte.
    Was war ich, ein Jaqqa oder ein Engländer? Und haßte oder liebte ich sie? Ich ertrank in den Gegensätzen und Widersprüchen meiner verwirrten Seele. Doch wie einer, der fühlt, daß er ertrinkt, letztendlich vielleicht hinauf zur Erlösung schwimmt, so begann auch ich aus diesem Mahlstrom der Verwirrung den Aufstieg zu einem gewissen Maß des Verständnisses. Denn ich wußte nun, daß ich trotz all meiner Reisen in die Denkungsart der Kannibalen mehr Engländer als Jaqqa war und daß ich für diese Frau mehr Liebe als Abscheu empfand. Und ich schwor mir einen gewaltigen Eid bei Gott dem Erlöser und jedem Mokisso dieses düsteren Dschungels, daß ich sie vor dem Kannibalenkessel erretten oder selbst in diesen Kessel gehen würde. Und dieses Mal war keine Hexerei bei mir am Werk; ich faßte diesen Entschluß aus freier Entscheidung.
    Und doch enthüllte ich ihr dies noch nicht. Ich umkreiste sie einfach von der einen zur anderen Seite, wie ein Leopard, der eine in der Falle sitzende Beute begutachtete, und musterte sie ausgiebig. Sie schwebte in diesem Grenzland zwischen Furcht und Kühnheit und beherrschte mit wundersamer Kraft den Schrecken, den sie empfinden mußte.
    »Nun«, sagte sie schließlich, »bringe es hinter dich; schleppe mich zum Topf und wirf mich hinein, Andres!«
    »Glaubst du wirklich, daß ich das tun werde?«
    »Du bist so aufgetakelt und wild in deinem Aufzug, daß es mich nicht erstaunen würde.«
    »Ah, du bist stark, stark, Teresa!«
    »Ach, bin ich das? Aber nicht stark genug, um diese Fesseln zu zerreißen, fürchte ich.«
    »Wie hat es sich zugetragen, daß du hier in Gefangenschaft bist?«
    »Don Fernão und ich reisten durch das Landesinnere«, sagte sie. »Von Ndemba nach Masanganu und weiter nach Kambambe, um im Auftrag des Gouverneurs die Presidios zu inspizieren.«
    »Noch immer Don João de Mendoça?«
    »Nein«, sagte sie. »Er ist schon lange tot, der arme, nette Mann, und es ist ein neuer aus Portugal gekommen, Don João Coutinho mit Namen, der sehr freizügig und beliebt ist. Er soll neue Festungen in diesem Land errichten und es im Auftrag des Königs von Portugal endgültig erobern. Und so marschieren nun Armeen durch alle Teile der Provinz.«
    Ah, dachte ich. Das erklärt die Truppen, die ich vor der Stadt Ndala Chosa gesehen hatte.
    »Und so schickte dieser Gouverneur uns hier hinaus«, fuhr sie fort. »Doch unsere Pferde starben, und die Jaqqas haben uns überfallen…« Ihre Lippen zitterten, und ihre Stärke brach für einen Augenblick, und sie begann zu schluchzen und weinen, was bei dieser königlichen Frau seltsam anzusehen war. Doch nur einen Moment lang, und dann hatte sie die Kraft zurückgefunden. »Don Fernão ist tot, und uns wird man essen«, sagte sie verbittert. »Und wirst du dich auch an uns laben, Andres? Hast du dich in einen Menschenfresser verwandelt? Denn ich glaube, das mußt du nun sein.«
    »Wo ist Don Fernão?« fragte ich.
    Sie deutete mit einer Kopfbewegung auf einen der toten Portugiesen, der noch während unseres Gesprächs gevierteilt und in einen der Töpfe mit dem kochenden Wasser geworfen wurde. Und als sie dorthin sah, stieg solch ein Ekel und Schrecken in ihr empor, daß sich ihr Magen hob, sie sich vor Übelkeit wand und den Kopf wegdrehte, um die Flut der Magensäfte zurückzuwürgen, die in ihr emporschwallte. Ich empfand beinahe ähnlich, als ich an diesen gut gekleideten, eitlen, törichten Souza dachte, der eigentlich recht wenig Böses getan hatte und nun von meinen Jaqqa-Brüdern in Stücke geschnitten und wie ein Hammel gekocht wurde.
    Dann faßte sie sich wieder und sagte: »Wieviel länger soll ich noch leben? Und kannst du mir einen schnellen Tod geben, damit ich nicht mehr länger in diesem Ausläufer der Hölle ausharren muß, in dem ich hier bin?«
    »Ich habe vor, dich vor dem Verderben zu bewahren«, sagte ich überaus sanft.
    »Du? Der herumhüpfende, bemalte, nackte Menschenfresser mit seinen Armreifen?«
    »Wie du siehst, habe ich mich verändert, Doña Teresa. Doch etwas in mir ist der Mann geblieben, den du kanntest.«
    »Das ist kein Augenblick, um mich zu verhöhnen, Andres.«
    »Ich verhöhne dich nicht. Ich werde dich vor diesem Festmahl bewahren.«
    Ihre Augen wurden groß. »Jesu Christo, und das kannst du?«
    »Ich habe viel Macht unter diesem Volk,

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