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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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sein.«
    Ich erwiderte seinen schrecklichen Blick und nickte, wenn er sprach, und gab ihm keine Widerrede. Und er fuhr fort und erläuterte seine Vision der Reinheit und Tugend des Jaqqa-Reiches, sobald es sich erst auf jede Nation der Welt erstreckte, die ich schon zuvor vernommen hatte, doch nun sprach er mit viel erhabeneren Worten davon, nicht mit dem Eifer eines Dämons, sondern mit dem eines Erzdämons. Und diese Vision überwältigte mich.
    Ihr lacht vielleicht über die Vorstellung, die Städte des Christentums könnten ausgelöscht und durch Urwälder voller tanzender, bemalter Kannibalen ersetzt werden, und womöglich sagt Ihr, daß es niemals dazu kommen könne; doch glaubt mir, als Calandola sprach und mir erneut diese Vision ausmalte, in der all unsere Sünden abgeschafft, all unsere gewundenen Straßen und besudelten Gassen untergepflügt, all unsere Verkrustungen auf dem Antlitz der Erde weggebrannt wurden, als er mit dieser tiefen und magischen Stimme in einem völligen Gleichklang der Worte davon sprach, erschien es mir beinahe, als sei es das höchste Ziel der Menschheit, all das zu vernichten, was wir seit Caesars Tagen erschaffen hatten, und uns den Wirbelstürmen der reinen Natur zu unterwerfen. Es war Wahnsinn.
    Ich fühlte, wie die Philosophie des Imbe Calandola erneut wie Quecksilber in meinen Adern floß und wie Feuer in mir brannte, denn sie war meiner Natur zwar fremd, gleichzeitig aber tief in mich eingedrungen. Ich wußte, daß es Torheit war. Ich wußte, daß sich seine Macht niemals über die Wälder dieses wilden Landes hinaus erstrecken würde. Und doch war der Dschingis Khan der Tartaren mit fast dem gleichen Traum aus den staubigen Ebenen des tiefsten Asien gekommen und wie ein Wirbelwind mit den Krummschwertern über die großen Nationen der Welt hinweggefegt, und hatte zu seiner Zeit nicht ganz Europa vor ihm gezittert? Und wer konnte schon mit Bestimmtheit sagen, daß sich unter diesem Calandola nicht alles wiederholen würde? Einen Augenblick lang – wenn auch nur diesen Augenblick lang – sah ich, wie der Imbe-Jaqqa im Triumph an der Spitze seiner schwarzen Legionen durch die Straßen von London marschierte und weiter nach Canterbury, um inmitten der eingestürzten Steinblöcke der Kathedrale ein wildes, ausgelassenes Fest zu feiern, und ich spürte die grausame Kälte dieser schrecklichen Vorstellung, aber auch ihre frostige Schönheit.
    Dann sagte er: »Möchtest du noch eine Frau haben, Andubatil, oder genügen dir diese beiden?«
    »Sie genügen mir völlig, Fürst Calandola!«
    »Gut. Gut. Ich möchte nicht, daß es dir an irgend etwas mangelt. Andubatil, ich bin dir sehr zugetan. Wenn wir gegen São Paulo de Luando marschieren, wirst du die Schlachtreihe neben mir befehligen, und ich möchte sehen, wie dein Haar wie ein Leuchtfeuer im heißen Sonnenlicht glänzt. Ist deine Muskete in gutem Zustand?«
    »Aye, das ist sie.«
    »Und du hast Pulver, hast Munition? Ich habe den Befehl erteilt, daß man dir die Waffen dieser Portugiesen geben soll.«
    »Dies ist geschehen«, sagte ich.
    »Ich habe nun soviel Pulver, wie ich benötige, und einen großen Vorrat an Munition.«
    »Gut.«
    »Und wann, großer Calandola, werden wir marschieren?«
    »In vier Tagen, schätze ich. Oder in fünf. Ich muß mich mit Kakula-banga beratschlagen, ob wir in vier oder fünf Tagen aufbrechen werden, und ihn die Omen deuten lassen.«
    Er drehte sich um, nahm meine Hand in die seine und drückte sie auf seine heftige Art, die seine Liebe ausdrücken sollte; und erneut begegnete der Blick des Imbe-Jaqqa dem meinen und maß mich; und dann schritt er davon.
    Ich stand da und blickte ihm staunend nach. Was für eine Macht hatte er nur, die mich so in ihren Bann schlug? Es war nicht nur seine Größe, denn es gibt viele große Männer, die nur dumme Ochsen sind, und auch nicht allein seine Stimme oder sein Gesicht und auch nicht die Vision von der Beherrschung und Vernichtung der Welt; nein, es war wohl all dieses zusammen. Er hatte mich gefesselt, obwohl ich ansonsten wohl kein Mann war, den man so einfach führen konnte; dieser Calandola jedoch drückte mir auf eine überaus geheimnisvolle Art und Weise seinen Willen auf und reduzierte mich auf etwas, das sehr viel weniger war als mein wahres Ich, so daß ich mich oft nicht aus eigenem Antrieb, sondern mit der allgemeinen Wut und Stoßkraft einer größeren, unwiderstehlichen Masse bewegte. Und so dankte ich dem Herrn dem Allmächtigen, daß Er

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