Herr der Finsternis
Calandola zu einem Afrikaner gemacht und von unseren Ufern ferngehalten hatte. Doch eines Tages, so fürchte ich, wird ein Mann seiner Art näher an unserer Heimat aufsteigen, die ganze zivilisierte Welt in seinen Bann schlagen und das Werk des Teufels mit ihr verrichten, und dann wird es uns übel ergehen. Möge Gott verhüten, daß der Tag dieses Mannes jemals kommt.
Als Calandola gegangen war, kehrte Doña Teresa zurück.
»Das ist der Satan selbst«, sagte sie.
»Vielleicht. Oder des Satans Sohn.«
»Warum erschlägst du ihn nicht, während er so kameradschaftlich neben dir steht, und erlöst die Welt von diesem Ungeheuer?«
»Wenn ich dies täte, lebte ich keine Stunde mehr«, sagte ich. »Und ich glaube, er ist nicht so monströs, wie es den Anschein hat.«
»Du bist ein Narr geworden, Andres.«
»Ach, bin ich das?«
»Du verteidigst ihn immer, ihn, der nicht zu verteidigen ist. Was einen Narr aus dir macht.«
Ich schüttelte den Kopf. »Zweifellos hat er einen Einfluß auf mich. Doch ich glaube, ich sehe ihn genauer als die meisten. Es läßt sich leicht sagen: Er ist ein Ungeheuer. Es erfordert eine schärfere Wahrnehmung, um unter der furchterregenden Oberfläche die Philosophie zu finden.«
»Philosophie!« rief sie überaus verächtlich. »Aye, ich kenne seine Philosophie. Töte und esse, tranchiere und weide aus. Das ist eine wunderbare, gedankenvolle Philosophie! Magst du den Geschmack von Menschenfleisch mittlerweile so sehr, Andres?«
»Du bist mir eine schöne Frau, wenn du mich so verfluchst.«
»Ich versuche nur, deine Seele zu finden. Bist du noch ein Christ? Oder hast du dich ganz diesen kannibalischen Riten ausgeliefert?«
»Laß mich in Ruhe, Teresa«, sagte ich müde.
»Du hast von dem verbotenen Fleisch gegessen, nicht wahr?«
»Wer hat verboten, davon zu essen?«
»Die Worte Gottes und die Gesetze der Menschen«, sagte sie. »Doch du hast davon gespeist. Das weiß ich. Und du wirst wieder davon speisen, und die Liebe zu seinem Geschmack hat Besitz von dir ergriffen und dich verrückt gemacht.«
»Nay, Teresa, ich bin nicht verrückt; ich bin nur ein armer, verlorener Seemann, der sich nach seiner Heimat sehnt.«
»Du gibst dich Selbsttäuschungen hin.«
»Es ist die Wahrheit. Bis zu dem Tag, da ich Afrika verlassen kann, fahre ich unter jeder Flagge, unter der ich fahren kann.«
»So lauten deine Worte. Doch ich glaube, es hat dich eine größere Veränderung überkommen, und dein Gerede von der Heimkehr ist nur noch bloßes Gerede, das du wiederholst, weil du es so lange wiederholt hast; doch diese Worte haben schon seit einigen Jahren ihren Drang für dich verloren.«
»Dem ist nicht so«, sagte ich, doch ich sagte es kaum mit großer Überzeugung.
»Dieser Mann ist kein Mensch, sondern ein Teufel, nicht wahr?« sagte sie mit hitzigem Nachdruck. »Und ich glaube, er hat dich verhext und dich in ein verfluchtes Geschöpf verwandelt. Und du siehst es nicht einmal, sondern glaubst, du würdest lediglich vorgeben, ihm zu dienen, während du deine Zeit abwartest. Oder du belügst dich selbst genauso wie mich.« Sie sah mir in die Augen, und ich zwang mich, nicht zusammenzuzucken. »Ich frage dich, worüber habt ihr beide gesprochen?«
»Über seinen Bruder Kinguri«, sagte ich. »Denn ich habe eine Kluft zwischen ihnen aufgerissen. Und wir sprachen auch über den Krieg, den Calandola gegen die ganze Welt machen will, und seine Hoffnung, ihn zu führen. Er träumt davon, in Europa einzufallen.«
»Das ist Wahnsinn.«
»Was ich nicht abstreiten will. Das wird er niemals bewerkstelligen. Doch bald wird er auf jeden Fall gegen São Paulo de Luanda marschieren.«
Sie ergriff meinen Arm. »Wie bald?«
»Das kann ich nicht sagen.«
»Diese Antwort hast du mir schon zuvor gegeben. Doch damals, weil du es nicht wußtest. Jetzt weißt du es. Wie bald, Andres?«
Ich atmete tief ein. »In vier Tagen. Oder vielleicht in fünf. Es hängt davon ab, welche Horoskope seine Medizinmänner werfen.«
»Wir müssen eine Warnung schicken!«
»Wir werden nichts dergleichen tun«, sagte ich barsch.
»Pfui, Andres, laß uns von hier fliehen und den Gouverneur benachrichtigen, bevor alle dahingemetzelt werden.«
»Wir können nicht von hier entfliehen. Sie würden uns verfolgen, und am Abend des Tages, da sie uns fangen, werden wir in den Kesseln sein.«
»Aber wir können nicht untätig zusehen, wie die Stadt vernichtet wird«, sagte sie.
»Das müssen wir.«
»Dieser Krieg darf nicht
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