Herr der Finsternis
Calandola tobte und brüllte und gegen ein Dutzend Männer gleichzeitig kämpfte.
Dann fand ich mich im allgemeinen Aufruhr Auge in Auge mit Kinguri. Blut floß in Strömen von seinem Schädel und seiner Stirn, und seine Augen waren die eines Wahnsinnigen.
»Du!« rief er. »Die Gefahr, der Fluch unter uns!«
»Laß mich vorbei, Bruder«, sagte ich.
Er schlug mit der Schneide seiner Axt nach mir und legte meine Wange fast bis zum Knochen bloß, wobei er mir die älteren Narben meiner Stammeszier abschnitt. Ich fühlte, wie mein Blut floß, empfand jedoch keinen Schmerz, noch nicht. Er schlug ein zweites Mal zu, doch auch in mir war nun ein großer Irrsinn von jener Art, die einem Mann im Kampf dazu verhilft, über seine Kräfte hinauszuwachsen. Und als sich das Beil senkte, ergriff ich sein Handgelenk und hielt es hoch über mir fest, so daß sich keiner von uns beiden bewegen konnte.
Wir standen vielleicht fünfhundert Jahre da, oder vielleicht fünftausend, erstarrt, völlig unbeweglich, während uns all die betrunkenen Jaqqas umkreisten und nicht wagten, näher zu kommen. Wir waren beide gleich stark, so daß Kinguri seinen starken, langen Arm nicht senken konnte, um mich zu verletzen, und ich konnte diesen Arm nicht zurückstoßen und die Waffe aus dem Griff der Hand lösen. Doch wenn allein der Haß mich hätte versengen können, wäre ich unter seinem Blick zu Asche aufgelodert.
»Du wirst jetzt sterben«, sagte er zu mir, während wir dort standen, »und du wirst dich zu deiner portugiesischen Hure zum Festmahl gesellen!«
»Ah, nay, Bruder, nay, glaube das nicht! Ich werde mich wegen ihres Todes an dir rächen!«
Und mit einer Woge der Kraft, wie sie einen Mann vielleicht ein oder zwei Mal im Leben überkommt, wenn er in höchster Not ist, nahm ich seinen Arm und zwang ihn hinab und verdrehte ihn so, daß er aus dem Gelenk schnappte; denn endlich rangen wir miteinander, doch es war nicht der grazile Tanz des Jaqqa-Ringens, sondern eher ein Ringen um Leben und Tod; und seine Lippen zogen sich zu einem schrecklichen Schrei zurück; das Beil fiel, und ich hob es auf und schickte mich an, ihm das Leben zu nehmen.
Dann senkte sich eine große, sich ausbreitende Dunkelheit über uns, als hätte ein gewaltiger Vogel über uns die Flügel gespreizt und das Funkeln der Sterne verdeckt.
Ich verstand nicht, was da vor sich ging. Doch nach einem Augenblick begriff ich, daß es der gewaltige Calandola war, der sich wie ein Rachedämon über uns auftürmte.
»Er gehört mir«, sagte Calandola und riß mir Kinguris Beil aus der Hand, das Beil, das ihn verwundet hatte; und er hob es so mühelos, als wäre es aus Stroh; und Kinguri kauerte sich zischend nieder und hob zum Schutz die Hände.
»Sklave!« schrie der Imbe-Jaqqa. »Geh! Geh von mir! Geh von dieser Welt!«
Und mit einem fürchterlichen Schlag verstümmelte er seinen niedergekauerten Bruder mit dem Beil, schlug ihm einen Arm ab und schlug dann erneut zu, wobei der zweite Schlag tödlich war und Kinguris Blut aufspritzte und uns beide besprenkelte.
»Nugga-Jaqqa!« rief Calandola. »Schegga-Jaqqa!« Und er spuckte auf die Leiche seines Bruders und trampelte sie in die gerötete Erde.
Dann wandte er sich von ihm ab und musterte mich erneut, und ich hoffe, niemals einen höllischeren Anblick zu sehen. Sein eigenes Blut und das Kinguris hatte seinen Körper von oben bis unten beschmiert, und er leuchtete auch vor Menschenfett, und seine Augen waren die eines Wahnsinnigen, denn er sah, daß in diesem Bruderkrieg, der sich so plötzlich entzündet hatte, sein Königreich unterging.
»Komm, wir müssen sie alle töten!« rief er.
»Töte sie allein«, sagte ich. »Ich will an deinem Krieg nicht mehr teilhaben.«
»Was sagst du da?«
»Ich gehöre nicht länger zu deinem Königreich, Calandola.«
»Ach, ist dem so?« Er trat näher zu mir und sagte mit seiner dumpfen, halb erstickten Stimme: »Du wirst kämpfen, wenn ich es dir sage, Andubatil, und essen, was ich dir zu essen gebe, und du wirst mir in allen Dingen gehorchen. Du bist mein Geschöpf, du bist mein Spielzeug!« Und dann schrie er in einer Sprache auf, die ich nicht kannte, vielleicht in überhaupt keiner Sprache bis auf die des Irrsinns, oder der Sprache der Hölle, irgendein bellendes, heiseres, rauhes Kauderwelsch, die Sprache der Coccodrillos, die Sprache der Traum-Magier. Und er sprang hoch und schlug mit dem Beil zu, doch ich sprang zur Seite und blieb unverletzt, und er sprang erneut
Weitere Kostenlose Bücher