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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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zusehen, beten und warten. › Schreckliche Hölle, öffne dich nicht! Nein, komm nicht, Luzifer!‹ Doch ich konnte das Einläuten der letzten Stunde, die nun bevorstand, nicht abwenden.
    Der Wein floß in Strömen, die Jaqqas lärmten und tobten, schütteten sich das Zeug durch die Kehlen und füllten sich die Mägen damit im Überfluß. Imbe Calandola stand auf und gab sein Zeichen, und der riesige schwarze Scharfrichter des Stammes trat mit seiner Riesenklinge vor, und die Trommeln und die Flöten verstummten einen Augenblick, lange genug, daß ich hören konnte, wie Doña Teresa überaus elendig sagte: »Sancta Maria ora pro nobis«, und einige andere Gebete.
    Jetzt, Portugiesen! Jetzt kommt und fallt über diese heidnische Bande her!
    Doch sie kamen nicht. Und ich mußte einsehen, daß sie nicht kommen würden, daß man die Uhr nicht aufhalten konnte, daß der letzte Augenblick bevorstand. Ich war hilflos.
    Ich schaute zu Doña Teresa hinüber und bekam ihren nackten, schlanken Körper, der noch immer so wunderschön und voller Leben war, zum letzten Mal zu sehen, und ich erinnerte mich an Anne Boleyn, die Königinmutter, und an Katherine Howard und an viele andere, die man zuvor so getötet hatte, denn dies ist wahrlich ein Jammertal: und es erklang ein plötzlicher, verängstigter Ruf, »Andres!«, und sie beugte sich vor.
    Und der gewaltige Jaqqa schlug ihr den Kopf ab. Wegen des Schmerzes in meiner Seele wandte ich den Blick ab, doch ich vernahm das schreckliche Geräusch; und ich werde dieses Geräusch niemals vergessen können. Und als ich wieder hinsah, hätte ich gern die schreckliche Bestätigung meiner Vision zurückgewiesen, doch ich konnte es nicht.
    So war es also geschehen, und ich war Zeuge gewesen, und doch konnte ich es auch jetzt, nachdem es geschehen war, noch nicht glauben, so scharf war meine Erinnerung an sie in meinen Armen, so tief war der Eindruck, den sie in meiner Seele hinterlassen hatte. Ich konnte das geköpfte Ding, das blutig auf der Lichtung lag, nicht in Einklang mit dem schlanken Mädchen bringen, das zu mir in den Kerker gekommen war, oder mit der vornehmen Frau, die so königlich durch die Straßen von São Paulo de Luanda geschritten war, oder mit der Gefährtin, die ich vor ein paar Tagen noch umarmt hatte. Es war geschehen.
    »Gebt mir Wein!« rief ich, riß einen Becher an mich und stürzte den Inhalt hinab, um meinen Schmerz zu lindern.
    »So wird es mit allen Portugiesen dieser Stadt geschehen«, sagte Calandola.
    »Du wirst es sehen, Andubatil. Wir werden sie gefangennehmen, während sie schlafen, und wir werden ihnen die Köpfe abschlagen, und wir werden sie in uns aufnehmen, und sie werden aus diesem Land verschwunden sein. Du allein wirst an diesen Ufern die weiße Haut tragen, Andubatil. Wir werden keine anderen hier haben.«
    Und er rief nach Wein und schlug auf seinen Becher, bis er ihn bekam. Und als er ihn bekam, schenkte er erst mir, dann ihm und dann Kinguri ein; und ich sah, wie Kinguri mit besonderer Freude lächelte, weil er mir mit dem Tod meiner Geliebten Schmerz bereitet hatte.
    »Nachdem wir gegessen haben«, sagte Kinguri, »werden wir ringen, du und ich. Nun? Wirst du mir im Kampf gegenübertreten?«
    »Wenn der Imbe-Jaqqa es erlaubt, werde ich es«, sagte ich.
    Er wandte sich zu Calandola.
    »Was sagst du, Calandola? Darf ich heute abend mit dem Christen ringen?«
    Calandola musterte ihn lange, und schließlich sagte er: »Ja, du wirst mit ihm ringen, Kinguri. So sei es. Du und Andubatil.«
    Kinguris Augen leuchteten. »Ich habe lange darauf gewartet, Andubatil.«
    »Genau wie ich, Bruder«, sagte ich zu ihm.
    »Ah«, sagte er. »Nach dem heutigen Abend wirst du mich nicht mehr Bruder nennen!«
    Ich zuckte die Achseln und wandte mich ab. Meine Seele war noch immer von Teresas Tod betäubt, und ich wollte keinen Zank mit Kinguri, der meine Trauer vergrößern würde, nicht jetzt. Es würde später die Zeit kommen, mit ihm zu ringen und, wenn Gott mir die Kraft gab, ihn in Stücke zu brechen, seine langen Glieder von seinem Leib abzureißen und ihn wie Fleischabfall in die Knochengrube zu werfen. Doch dies würde später geschehen.
    Ich trank schwer, um die kalte Stelle unter meinem Brustbein zu erwärmen, die dort wie ein Klumpen uralten Eises lag, einen Krug Wein vielleicht und dann noch einen, einen Kübel, ein Oxhoft, ein Faß Wein. Und doch berührte er mich kaum und erwärmte meine Seele nicht: Die Kälte darin brannte alles fort.
    Einige

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