Herr der Finsternis
Buch
ODYSSEE
1
So endete mein Aufenthalt unter den Jaqqas. Doch es gibt noch mehr zu berichten. Denn ich war noch nicht fertig mit Afrika, noch für eine lange Zeit nicht, und meine Seele wurde noch vielen Versuchungen und Stählungen ausgesetzt, bevor dieses Land mich freigeben sollte. Und ich bin immer noch nicht gänzlich frei. Und ich bin bis zu dieser Stunde dem bösartigen Sog des Imbe-Jaqqa Calandola noch nicht ganz entkommen.
Don João Coutinho wollte nicht, daß ich mit seiner Armee marschierte, sondern erließ den Befehl, daß ich von Dienern vom Schlachtfeld und nach Masanganu getragen werden sollte. Denn man konnte nun keinen Krieg mehr betreiben: Die Jaqqas waren in alle Himmelsrichtungen zerstreut, und das andere Heer, das des Kafuche Kambara, war sehr schnell aufgebrochen und zu seiner Heimat irgendwo südöstlich dieses Ortes zurückgekehrt. Was uns nur zugute kam, denn der einzige Vorteil, den dieser portugiesische Stoßtrupp gehabt hatte, war der der Überraschung gewesen, und dieser war nun erloschen; denn die Portugiesen waren nur etwa vierhundert Mann, obwohl sie in dieser Nacht viele Tausende getötet hatten.
In Masanganu, das mir vorher so verhaßt gewesen war, mir nun aber wie ein liebliches Jerusalem erschien, kam ich schnell wieder zu Kräften. Ich wurde sehr gut von diesem neuen Gouverneur behandelt, der mich als eine Art heiligen Märtyrer betrachtete, ja sogar als einen Pilger, der eine schwere Prüfung durchgemacht hatte und nun mit der freundlichsten Behandlung entschädigt werden mußte.
Während ich also dort in Masanganu lag, erteilte er den Befehl, daß ich den besten Wein und die besten Getränke bekommen sollte; und seine Sanitäter taten, was sie konnten, um meine Wunden zu schließen und sie ohne weitere Verstümmelung meiner Haut abheilen zu lassen.
Die natürliche Stärke und Widerstandskraft meines Körpers setzten sich durch, so daß ich nach einer Weile meine Erschöpfung überwunden hatte. Doch nichtsdestotrotz wußte ich, daß ich mich verändert hatte, auf eine Art, von der es keine Genesung gab. Mein Körper trug Narben, sowohl die der Stammeszier als auch die des Krieges und der rauhen Behandlung. Und nun hatte ich das Gesicht eines alten Mannes, was das äußere Zeichen meiner Erfahrungen war, Ausdruck und Symbol der Schrecken, die ich beobachtet und die ich begangen hatte.
In jenen ersten Nächten besuchte mich Doña Teresa oft in meinen Träumen und sagte zu mir: »Weine nicht, Andres, ich bin bei den Heiligen im Himmel.« Was mir nur ein spöttischer Trost war. Meine philosophische Ruhe über ihren Tod hatte mich verlassen. Ich dachte oft an den weisen Marcus Aurelius, doch dessen Lehren erschienen mir nun wertlos, denn sie, die ich sehr lieb gehabt und verloren und unerwartet wiedergewonnen hatte, war nun tot, und ich würde sie nicht noch einmal wiedergewinnen, gleichgültig, wie genau ich dieses feuchte Dschungelland durchsuchte. Und dieser große Verlust brannte immer heißer in mir, je mehr mein erschöpfter Körper seine Gesundheit zurückgewann.
Dann suchte ich Don João Coutinho in seinem Palast im Presidio von Masanganu auf, und er begrüßte mich überaus freundlich, mit einer Umarmung und gutem Wein, und fragte, welchen Dienst er mir erweisen könne.
Woraufhin ich erwiderte: »Nur einen, daß Ihr mich an Bord einer Pinasse nach São Paulo de Luanda setzt und den Befehl gebt, daß man mich freilassen und nach England verschiffen soll, denn ich bin nun alt und würde gern unter meinem eigenen Volk sterben.«
»Warum seid Ihr überhaupt hier?« fragte er.
Ich erzählte ihm alles darüber, die große, verworrene Geschichte, wie ich mit Abraham Cocke in See stach, in Brasilien zurückgelassen und gefangengenommen wurde, als Lotse diente und wieder gefangengesetzt wurde, und so weiter und so fort, den gesamten Verlauf dieser gewundenen Jahre, für den er sich sehr interessierte. Nur bei dem Teil meines Lebens, den ich mit den Jaqqas verbracht hatte, war ich wortkarg und berichtete ihm lediglich, ihr Gefangener gewesen zu sein.
Als ich fertig war, umarmte er mich und sagte: »Ihr werdet Eure Freiheit haben, Senhor Andrew. Doch in den nächsten Monaten wird dieses Land kein Schiff verlassen.«
»Da ich nun weiß, daß ich an Bord des nächsten gehe, kann ich auch noch etwas warten«, sagte ich. »Denn eigentlich bin ich auch noch gar nicht bereit, England wiederzusehen.«
»Ach, ist dem so?«
Dem war in der Tat so, wenngleich ich ihm auch nicht
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