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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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des Imbe-Jaqqa überaus beharrlich an und rief derweil mit stentonscher Stimme, daß mir damit eine hohe Ehre widerfuhr, und drängte mich, es zum Wohle meines eigenen Geistes zu essen.
    Ich blieb standhaft mit meiner Weigerung und er mit seinem Beharren, und er schob mir das dampfende Stück Fleisch hin, und ich schob es zurück. Wir beide schrien nun überaus heftig. Ich fürchtete Kinguris Zorn nicht. Ich fürchtete in diesem Augenblick nicht einmal den Tod, denn ich würde nicht mit der Schande dieser grausamen Mahlzeit auf meiner Seele sterben.
    Auch Calandola war erzürnt, daß ich das Fleisch abgelehnt hatte.
    »Du wirst nicht ablehnen!« rief er. »Iß! Nimm, iß!«
    Und er hielt mich und schüttelte mich, und ich widersetzte mich ihm, wobei ich mir in seinem Griff in der Tat wie ein Schmetterling vorkam; doch der Wein und meine Trauer und Wut machten mich zu allem bereit, und mit einer Kraft, die ich selbst nicht vermutet hatte, riß ich mich von ihm los. Doch er ergriff mich wieder.
    »Iß! Iß!«
    Und von hinten kam Kinguri, vor Freude über den Streit kichernd, den er von Zaun gebrochen hatte, und rief: »Iß, Andubatil! Iß!«
    Calandolas Kraft war teuflisch; ich konnte ihr nicht widerstehen. Er hielt mich fest, zwang mich zurück und schob mir dieses saftige Stück des einst geliebten Fleisches mit schrecklicher Gewalt vor den Mund, den ich jedoch nicht öffnen wollte, gleichgültig, welch fürchterliche Folter er anwenden würde. Sein Gesicht schwebte einen Zoll vor dem meinen; sein Schweiß fiel auf meine Haut und verbrühte mich; seine Augen waren große Leuchtfeuer, die sich in meinen Schädel brannten; fürwahr war er die Inkarnation des Satans, fürwahr der wahre Diabolus, und in diesem Alptraum aus lautem Geschrei und Gezerre und Musik wurde mein Verstand an die Grenzen seiner Kraft getrieben und beinahe von der schrecklichen Macht dieses Kannibalenhäuptlings unterworfen.
    Ich weiß nicht, was dann geschehen wäre, nur, daß der Imbe-Jaqqa mich gezwungen hätte, Teresas Fleisch zu essen, um sein wahnwitziges Bedürfnis zu befriedigen, mich zu beherrschen; doch in diesem Augenblick, als sich das Fleisch meinen Lippen näherte, stieß Calandola plötzlich einen Schrei der Überraschung und des Schmerzes aus und ließ mich los. Ich sah, daß Kinguri mit einem Kriegsbeil in der Hand neben ihm stand, mit dem er seinem Bruder eine tiefe Verletzung zugefügt hatte.
    So hatte die Rebellion also begonnen, und der Feind hatte den ersten Schlag geführt. Ich erkannte, daß dies alles Kinguris Absicht gewesen war, eine Ablenkung, diese Sache mit dem Fleisch, um Calandola zu erzürnen und zu bewegen, seine Vorsicht abzulegen, damit er ihn töten konnte. Nun strömte Blut über den Rücken des Imbe-Jaqqa hinab, und er wirkte benommen und verblüfft, und Kinguri schickte sich an, ein zweites und letztes Mal zuzuschlagen.
    Bei diesem Anblick begannen die Jaqqas unter uns und um uns herum ebenfalls zu schreien und zu springen und aufeinander einzuschlagen; der Aufruhr am Hohetisch schien wie ein Funken zu wirken, der in das trockene Holz des Lagers fiel, nachdem die Männer so viel Wein getrunken und von der langen Verzögerung vor dem Aufbruch in den Krieg so unruhig geworden waren. Und Kinguris Schlag gegen Calandola war, wie ich sah, das Zeichen für den allgemeinen Aufstand, für einen Krieg zwischen den beiden Jaqqa-Parteien, wobei die eine dem König und die andere seinem Bruder treu ergeben war.
    Die Leibwächter des Imbe-Jaqqa, die zwar etwas vom Wein benommen, aber nicht völlig betrunken waren, stürmten zu Kinguri und zerrten ihn ein Dutzend Fuß zurück, bevor er ein zweites Mal zuschlagen konnte. Nun versank alles im Wahnsinn. Tausende von betrunkenen Jaqqas tobten und sprangen wie Affen-Geschöpfe umher, wobei sie kaum noch an Menschen erinnerten, sondern eher an haarige Paviane oder wilde Pongos oder Engecos, und zertrümmerten alles, was in ihrem Weg lag, stürzten die Kessel mit kochendem Wasser um, schlugen auf Bäume und auf Vieh und aufeinander ein.
    Ich sah mich nach einem Fluchtweg um, doch Flucht war unmöglich, denn mich umgab eine Turbulenz von Männern, die nicht mehr bei Sinnen waren, ein Eintopf aus verrückten menschlichen Dreschflegeln, und es war wie der große Mahlstrom oder Wirbel der nördlichen Gewässer, der zu einem so unwiderstehlichen Sog wird, daß er alles verschluckt und es kein Entkommen vor ihm gibt. Überall wurde getötet; und ich sah, wie der blutüberströmte

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