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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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taten, nur, daß ein Lager von vielen Tausenden zerstreut und in einer oder zwei Stunden vernichtet wurde.
    Dann kam endlich die Dämmerung. Ich stand allein auf einem schrecklichen Schlachtfeld. Überall lagen schwarze Leichen und ein paar weiße in Rüstungen. Die großen Kessel der Menschenfresser waren umgestürzt worden, ihre Banner niedergerissen, ihre Schreine zertrampelt. Nebel trieben über den Boden, und Ströme von Blut flossen wie Wein, und Ströme von Wein neben dem Blut, so daß sie sich zu einem grausamen Gespött des Lieblingsgetränks des Imbe-Jaqqa vermischten.
    Von Calandola sah ich nichts. Er war entkommen; er war sicher nicht getötet worden. Ich glaube nicht, daß man ihn töten kann. Er ist eine zu dunkle Macht, steht zu sehr mit seinem Herrn, dem Satan, im Bunde, für dessen Inkarnation ich ihn halte. Ich suchte nach seiner gewaltigen Leiche und fand sie nicht. Es hätte mich sehr überrascht, wäre es anders gewesen.
    Und bei Sonnenaufgang fanden mich die Portugiesen. Ich war bis auf einige wenige Fetzen nackt; ich war blutüberströmt und verwundet; und ich schluchzte, nicht vor Trauer oder Furcht, sondern einfach vor Erleichterung, daß diese ewige Nacht vorüber und die Dämonen geflohen waren und ich noch lebte.
    Drei Soldaten, die kaum mehr als Knaben waren, kamen auf mich zu und richteten ihre Musketen auf mich, und ich warf die Hände hoch, um ihnen zu zeigen, daß ich ihnen nichts Böses wollte.
    »Was ist das?« fragten sie. »Ist das ein Jaqqa oder ein Dämon, oder was?«
    »Ein Engländer«, sagte ich in ihrer eigenen portugiesischen Sprache. »Ich bin Andres der Piloto, aus São Paulo de Luanda, in den letzten Jahren Gefangener der Jaqqas, und Ihr habt mich befreit.«
    »Geh du zum Gouverneur«, sagte ein Portugiese zu einem anderen, der sofort davoneilte. Und zu mir sagte er, mich mit großen Augen betrachtend: »Ich habe Geschichten von Euch gehört, doch ich hielt sie nur für Fabeln. Was ist mit Euch geschehen, Mann? Seid Ihr verletzt?«
    »Ich war in den Klauen des Teufels selbst«, erwiderte ich, »und er hat mich ein wenig gequetscht. Doch ich bin noch heil, glaube ich, und werde wohl noch eine Weile atmen. Jesu Christo, es ist ein Traum gewesen, und kein heiterer, doch nun bin ich wach. Nun bin ich wach!«
    Und ich fiel auf die Knie und dankte dem Herrn, der mich behütet und erlöst hatte.
    Durch den Wald kamen nun weitere Portugiesen, und angeführt wurden sie von dem Gouverneur Angolas, João Coutinho, von dem Doña Teresa gesprochen hatte. Dieser Mann betrachtete mich lange, ohne wirklich zu glauben, was er sah, als hätte ich einen zweiten Kopf neben dem meinen oder Schwingen und einen Schweif. Und schließlich sagte er: »Dann wart Ihr es, der uns gerufen hat.«
    »Aye. Doch ich hatte jede Hoffnung aufgegeben, daß Ihr noch kommen würdet.«
    »Wir kamen so schnell wir konnten. Es gab Berichte, daß sich die Jaqqas gesammelt hatten, und so waren wir auf den Angriff vorbereitet und mußten nur noch wissen, wo wir zuschlagen konnten. Wie ist Euer Name, Engländer? Andres, nicht wahr?«
    »Andrew, eigentlich. Andrew Battell.«
    Er gab mir die Hand und zog mich hoch, befahl, daß man einen Mantel über mich warf, und schickte nach seinem Sanitäter, der meine Verletzungen untersuchen sollte. Dieser João Coutinho war ein Mann von vielleicht vierunddreißig Jahren, sehr schlank und mit einem stattlichen Gesicht, und er hatte eine warme und freundliche Art; ich erkannte an seinen Augen, die die Spiegel seiner Seele waren, daß er mich gut behandeln würde und großes Mitgefühl für meine Pein empfand, so daß ich von ihm vielleicht nicht mehr verraten werden würde.
    »Und die Portugiesen, die Eure Mitgefangenen waren?« sagte er.
    »Tot. Alle.«
    »Doña Teresa? Don Fernão?«
    »Tot«, sagte ich. »Tot und verspeist.«
    Er wandte den Blick ab und würgte mit tiefem Ekel.
    »Das sind Ungeheuer«, sagte er nach einem Augenblick. »Wir werden sie niedermachen, und sie werden alle umkommen. Haben sie Euch sehr gequält?«
    »Nay«, gab ich zurück. »Sie haben mich wie einen der Ihren behandelt. Ich glaube, es war wegen meines goldenen Haars, wegen dem ich ihnen wie eine Art Geist er schien.«
    »Goldenes Haar?« sagte Don João Coutinho verwundert. »Dann ist es also golden?«
    »Ist es das nicht?«
    Er legte die Hand auf meinen Kopf, fuhr sanft mit den Fingern durch mein Haar und sagte: »Es ist weiß, Senhor Andrew, es ist völlig und gänzlich weiß.«

Fünftes

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