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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Osten. Die Jaqqas waren völlig verschwunden und mit dem Land verschmolzen wie die Phantome, die sie vielleicht auch waren, doch das Heer des Kafuche Kambara stand mit über sechzigtausend Mann nicht weit hinter Agokayongo, und wir fielen gewaltig darüber her. Wir errangen den Sieg, richteten ein großes Gemetzel unter ihnen an und nahmen alle Frauen und Kinder des Kafuche Kambara gefangen. Dies trug sich am zehnten Tage des Augusts Anno 1603 zu, und zwar an genau der gleichen Stelle, wo Kafuche Jahre zuvor so viele Portugiesen erschlagen hatte, so daß diese schreckliche Niederlage gerächt war.
    Nachdem wir zwei Monate im Land um Agokayongo verweilt hatten, marschierten wir gegen Kambambe, was nur drei Tagesreisen entfernt war, zogen an den Serras da Prata vorbei und setzten über den Fluß Kwanza über. Bei den großen Wasserfällen, die das Heiligtum der Jaqqas waren, fanden wir Spuren, aus denen hervorging, daß sich die Menschenfresser kürzlich dort aufgehalten hatten: Einige Überreste ihrer Feste und gewisse bemalte Stellen auf den Felsen. Doch von den Jaqqas selbst sahen wir nichts; sie waren so schwer faßbar wie Geister. Dies war mir sehr recht, hatte ich doch für ein Leben genug von diesem Volk gesehen und nicht den Wunsch, ihnen noch einmal zu begegnen. Nachts erschien mir Imbe Calandola sehr oft in meinen Träumen, trieb wie ein bösartiges Ungeheuer aus den Tiefen durch die Meere meines Verstandes, lachte, erzeugte reißende Mahlströme und rief: »Andubatil Jaqqa! Kehre zu mir zurück, Andubatil Jaqqa, und laß uns die Welt verschlingen!« Auf solch ein Mahl war mir jedoch der Appetit vergangen.
    Schließlich überrannten wir das Land um Kambambe und errichteten direkt am Flußufer ein Fort.
    Für mich ergab sich keine Gelegenheit, zur Küste zurückzukehren oder an Bord eines Schiffes nach England zu gehen. Als ich Gouverneur Cerveira Pereira an das Versprechen Don João Coutinhos erinnerte, mich nach einer gewissen Zeit freizugeben, zuckte er nur die Achseln und sagte: »Ich finde in seinen Journalen nichts von solch einem Versprechen, Don Andres.«
    Aye, und was konnte ich darauf sagen?
    So wartete ich meine Zeit ab, eine Kunst, in der ich kein geringes Geschick entwickelt hatte. Ich lebte nun abgesondert von den Portugiesen, war freundlich zu ihnen, stand ihnen aber nicht nahe, noch hatten sie den Wunsch, sich mit mir anzufreunden. Ich glaube, sie wußten nicht, was sie von mir halten sollten, und weiß Gott, ich wußte es selbst kaum, so verändert hatte ich mich mit der Zeit und durch die monströsen Ereignisse. Ich hatte solch eine Vielzahl von Ekel und Schrecken gesehen, daß sie einen tiefen Abdruck auf meiner Seele hinterlassen hatten. Wenn ich die Augen schloß, sah ich oft, wie sich die Klinge des Scharfrichters auf Doña Teresa senkte; oder ich stellte mir vor, in Kulachingas schmieriger Umarmung zu liegen, ihr schlüpfriger Körper eng an dem meinen; oder ich saß bei einem schrecklichen Fest zwischen Calandola und Kinguri und erwachte mit dem Geschmack von Menschenfleisch in der Nase und auf der Zunge.
    Ich hatte eine überaus befremdliche Reise hinter mir, die mich in die dunkelsten Reiche dieser Welt geführt hatte; und obwohl ich die anderen mit einem Lächeln bedachte, mit einer fröhlichen Begrüßung, einem »Bom dia!« für alle und einem freundlichen »Adeus!« beim Abschied, war ich doch mitten unter ihnen allein, ein Mann, der Dinge gesehen hatte, die ihn hinter die Schranken eines üblichen Gemeinwesens setzten. Ich kam mir beinahe vor wie ein Wanderer aus einer anderen Welt; der ich fürwahr auch war, auf fünf oder sechs verschiedene Arten.
    Wir marschierten zu den Stämmen hinter Kambambe und warfen dort viele Völker nieder. Unter den Unterworfenen war Shillambansa, der Onkel des Königs von Angola, den ich schon einmal vertrieben hatte, als ich noch bei den Jaqqas war. Er hatte seine Stadt mit fast der alten Pracht wieder aufgebaut; und als dieser Häuptling mich erneut in der siegreichen Armee der Portugiesen sah, sah er mich an wie einen Dämon, der sich besonders gegen seine, Shillambansas, Geschicke gewandt hatte, zischte mir ein »Mokisso!« zu, und ein »Weißer Jaqqa!«, und wandte sich mit großem Schrecken ab. Nun, ich nehme an, er hatte keinen Grund, mich zu lieben, hatte ich doch zwei völlige Verheerungen über ihn gebracht und war meine Gestalt nun wirklich erschreckend anzusehen; mit meinen Narben, dem langen, verfilzten Haar, dem goldenen Bart und den

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