Herr der Finsternis
sein oder für die Holländer oder Ägypter, wenn es denn sein müßte. Es kommt einzig darauf an, während seiner Aufgabe Gott anständig zu dienen. Verstehst du mich, Vater?«
Und Rose Uliward rief ich aus den Schatten herbei, meine kleine dunkle erste Frau, deren Vater in Plymouth eine Taverne gehabt hatte.
Sie blinzelte zu mir hinüber, kniff in der Dunkelheit die Augen zusammen und sagte: »Du bist Andrew, der mein Mann war, nicht wahr?«
»Der bin ich.«
»Ich kenne dich so wenig. Unsere Zeit war so kurz. Doch du erinnerst dich noch gut an mich?«
»Ehrlich gesprochen, nicht sehr gut. Doch ich habe dich geliebt, das weiß ich.«
»Nun liebst du eine andere.«
»Weil dich mir der Tod genommen hat. Bei Gottes Atem und Augen, Frau, wirst du aus dem Grab eifersüchtig sein?«
»Ich bin nicht eifersüchtig. Ich wurde vom Schicksal betrogen. Wenn du aus der Gefangenschaft zurückkehrst, wirst du dann zu ihr oder zu mir zurückkehren?«
»Wie kann ich zu dir zurückkehren?« fragte ich.
»Wir werden uns am anderen Ufer treffen. Du und ich, und der gute Jesus, und Heinrich der Große, der alte König, und alle anderen, die jemals gelebt und gelitten haben. Werden wir uns treffen? Du hast gesagt, du liebst mich, Andrew.«
»Und ich habe dich geliebt. Du bist die einzige andere Frau, die ich je hatte. Doch als du von mir gingest, fand ich eine andere.«
»Aye. Der Lauf der Welt. Ich wünsche dir Freude an ihr. Doch denkst du von Zeit zu Zeit an mich?«
»Das verspreche ich«, sagte ich und schickte sie in das Schattenreich zurück, denn dieses eingebildete Gespräch führte mich in schwierige Gewässer.
Nach ihr rief ich meine Brüder Henry und Thomas und John herbei und sprach selbst Edward, der ertrank, bevor ich geboren wurde, und sprach lange und ernst mit ihnen über ihr Leben, ihre Hoffnungen und Künste, ihre Ängste, ihre Wünsche. Ich hatte Sir Francis Drake zum Abendmahl und John Hawkins und Sir Walter Raleigh, der anmaßend und verschlagen war und mir angst machte. Ich verbrachte ein paar Stunden damit, mit Ihrer Majestät Staatsangelegenheiten zu besprechen. Ich hatte König Philip in meiner Zelle, diesen verdrossenen und freudlosen alten Mönch von König, befragte ihn über seinen Glauben und ließ ihn eingestehen, daß das Credo der Papisten falsch und eine Verhöhnung der Apostel war. Ich zog weiter hinaus und lud den Großkhan und Prester John und den Sultan der Türken ein. Ich bekam Besuch von Dichtern, Kit Marlowe und Ben Jonson und Will Shakespeare und anderen dieser Sorte und bat sie, mir Stücke vorzulesen, die ich mir selbst einfallen ließ, das Stück von Königin Maria und die Tragödie des Samson und das Stück des Königs von Mexiko und der spanischen Eroberer. Oh, ich weiß, es wären Stücke, die dem Globe in London nicht zur Schande gereicht hätten, doch ich könnte Euch nicht mehr eine einzige Zeile zitieren.
Mit solchen Phantasien verstrichen meine Monate. Auch schritt ich meinen Kerker ab und zählte seine Ausmaße, verschaffte mir andere Übungen, die mir nur einfielen, und atmete trotz des Gestanks dieses Ortes so tief durch, wie ich nur konnte, um meine Lungen zu trainieren. Und ich glaube, nach meiner früheren Verzweiflung fand ich eine Art Ruhe wie ein Einsiedler in der Wüste: Ich beklagte nicht mehr die Unannehmlichkeiten und Enttäuschungen meines Lebens, sondern nahm einen Tag nach dem anderen hin, wie Gott es geheißen hat. Ich bin auf meine Art wohl ein guter Philosoph: Ich versuche, mich nicht gegen das Unabdingbare aufzulehnen, meine Kräfte nicht am Unabänderlichen zu verschwenden.
Eines Tages hatte ich schließlich einen anderen Besucher als meine Kerkermeister. Doña Teresa war es wie ein Strahl goldenen Sonnenlichts, der durch die dicken Erdwälle meines Gefängnisses fiel.
Ihr dunkles Haar glänzte und funkelte in den Schatten. Ihr Haar hatte einen wunderbaren Schimmer, und ihre vollen, breiten Lippen leuchteten feucht und schwer vor Versprechen der Freude. Und ich hatte diese Frau in meiner Krankheit einmal für eine Nonne gehalten!
»Ich dachte schon, Ihr hättet mich aufgegeben«, sagte ich.
»Armer Andres, ich bekam keine Erlaubnis, Euch zu besuchen, bis ein gewisser Freund von seinem Dienst im Norden in die Stadt zurückkehrte; erst sein Rang verschaffte mir Zutritt. Leidet Ihr?«
»Nay, dies ist ein ruhmreicher Palast, in dem unvergleichliche Feste gefeiert werden. Es ist nur, daß ich manchmal die Jagd vermisse und andere kleine
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