Herr der Finsternis
Gestank. Und dort wurde ich wieder einmal vergessen. Meine Kerkermeister brachten mir zweimal am Tag zu essen und Wasser, und einmal die Woche fragten sie mich, ob ich einen Priester haben wollte, der mir die Beichte abnehmen würde, was ich ablehnte. Mit anderen Menschen kam ich über mehr Wochen, als ich addieren kann, nicht zusammen.
Ich dachte, ich würde den Verstand verlieren.
Ich fragte mich, ob Sterben nicht besser sei.
Dies war eine meiner größten Prüfungen. Ich hatte keinen Tomer, der mich mit rauher Seemannssprache und Klatsch von der Heimat aufheitern konnte; keine Doña Teresa, die mich besuchte; der freundliche Barbosa, der mir bei meiner ersten Haft in diesem stinkenden Loch Wein gebracht hatte, weilte nicht mehr in Angola oder hatte aufgehört, sich für mich zu interessieren. Ich bat meine Kerkermeister ständig um eine Audienz bei irgendeinem Würdenträger der Kolonie, und sie antworteten mir mit Spott und Speichel und manchmal auch ihren Fäusten, die meine Wange aufrissen und ein anderes Mal eine Rippe anbrachen.
»Willst du einen Priester haben?« fragten sie mich wieder und wieder.
»Nay«, sagte ich, »er wird mich nicht befreien, nicht wahr?«
7
In diesen dunklen Monaten der bitteren Einsamkeit fand ich nur ein Vergnügen, nämlich Gespräche mit Gefährten aus meinem verlorenen glücklichen Leben zu führen.
Anne Katherine sprach ich oft an. »Dieses Gold der Karibik«, sagte ich zu ihr, »bringe ich dir, auf daß es zwischen deinen Brüsten hängt und an deinen Ohren baumelt und an deinen Handgelenken leuchtet.«
Woraufhin sie erwiderte: »Und wirst du wieder zur See fahren, Andrew, nun, da du diesen Schatz errungen hast?«
»Nay, niemals. All dieses Anholen der Taue und Segel, all dieses Zusammenrollen und Aufrollen, das Teeren und Flicken, die Sonne und der schwarze Durst, der meine Zunge anschwellen läßt – nay, nay!«
»Aber es war dein großes Abenteuer, Liebster.«
»Fürwahr, und ich hätte es nicht missen wollen. Doch ich habe den Hafen erreicht, und nun ist es an der Zeit, zu säen und ernten, zu den Mahlzeiten Käse und Wein zu nehmen, Wohlstand zu mehren und für ihn zu danken, in einem guten weichen Bett zu schlafen und eines Tages auch, voll an Jahren, im Bett zu sterben. Komm her zu mir, Liebste.«
Und ihre Brüste in meinen Händen, ihre Lippen auf meinen, und unsere Zungenspitzen berührten einander, und unser Atem vermischte sich, und unsere Bäuche rieben gegeneinander – yeah! Mein Samen strömte in ihren Körper, und ihre Seufzer klangen weich an meinem Ohr…
Ich sprach mit meinem Vater. »Verrate mir die Geheimnisse deines Gewerbes«, bat ich ihn, »so daß ich diesen Portugiesen zu Nutzen sein kann und die Freiheit erlange.«
»Und würdest du sie dann unterstützen?«
»Es ist keine so böse Sache. Diene ich Gott besser, indem ich auf See meinen Beruf ausübe oder in meiner eigenen Pisse in diesem schwarzen Loch liege? Ich bitte dich, erzähle mir von der Lotsenkunst.«
»Du mußt zuerst die Werkzeuge kennen«, sagte er. »Deine Aufgabe ist es, die Gewässer zu kennen, die Landzungen und Untiefen, doch auch deine Position im Kosmos, und dazu benötigst du Werkzeuge. Hier, dies ist dein Kreuzstab. Halte das Ende ans Auge und bewege das Kreuzstück, bis es genau mit der Entfernung vom Horizont zu dem Stern überein stimmt, den du beobachtest, und das wird dir deine Höhe vom Horizont verraten. Siehst du? In der Morgen- und der Abenddämmerung ist dies dein Führer. Und dies hier ist dein Astrolabium, das du an diesen Ring hängst, und die Scheibe bewegst du auf diese Art. Und dann studiere dieses Buch, die Abhandlung des Juden Pedro Nunes über die Handhabung des Kompasses und andere solche Dinge.«
»Es gibt so viel zu wissen, Vater!«
»Aye. Zwölf Jahre, um ein anständiger Lotse zu werden. Von einem Landgang zum nächsten, immer das Geräusch vom Lot und Tau in den Ohren, die Stunden zählen, dein Gedächtnis zu einem Ruder für die ganze Welt formen, die Strömungen und Gezeiten beherrschen, die Karten in Ordnung halten und für die erweitern, die nach dir kommen – so viel, so viel! Und du willst den Portugiesen als Lotse dienen?«
»Nuno da Silva war Lotse bei Drake, Vater. Und war der Portugiese Simon Fernandes im Jahre achtundsiebzig bei diesem zum Scheitern verdammten Unternehmen von Sir Humphrey Gilbert nicht an Bord von Walter Raleighs Falcon ? «
»Aye, Junge.«
»Nun, dann kann ein Engländer auch Lotse für die Portugiesen
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