Herr der Finsternis
wollte, doch seine Offiziere drängten ihn zum Angriff. Einer jener, die ihn zum Kampf überredeten, war der gleiche Oberst Pereira, der sich nun im Nachbarland versteckte. Am letzten Montag des Jahres trafen die Portugiesen auf ihren Feind, erlitten eine fürchterliche Niederlage und wurden viele Meilen gen Masanganu zurückgetrieben. Bei diesem Rückzug, so heißt es, kämpfte Gouverneur Serrão tapfer gegen seine Verfolger und schützte geschickt die Nachhut der Portugiesen. Eine Zeitlang wurde das Heer bei Masanganu belagert, bis Verstärkung aus São Paulo de Luanda eintraf und es befreite. Kurz nach diesem verhängnisvollen Feldzug war Serrão erkrankt und gestorben, und Pereira war sein Nachfolger geworden.
»Und nun?« fragte ich. »Werden sie die Stadt überfallen, wo Pereira geflohen ist?«
»Wir warten ab«, sagte sie. »Wir beten. Wir achten auf Omen.«
Ich dachte insgeheim, es würde kein großes Unheil für mich sein, wenn König Ngola oder die Jaqqa-Chinda oder irgendwelche andere dieser Heiden einmarschierten und São Paulo de Luanda verwüsteten. Mit etwas Glück würde ich ihnen zeigen können, daß ich nicht ihr Feind war, und mein gelbes Haar könnte die Flagge meiner Freiheit sein. Und was bedeutete es mir schon, wenn sich der Ozean rot vor portugiesischem Blut färbte? Ich brachte ihnen keine Liebe entgegen; ich hatte mich nicht danach gesehnt, hier zu sein; was hatte ich in diesen zwei Jahren von ihnen bekommen? Nur Ketten und Kerker und Brei zu essen, wo es mir in England doch gut ergangen wäre.
Doch ich behielt diese Gedanken für mich.
In diesem Monat blieb der Überfall aus. Unter der Obhut von Doña Teresa und der schwarzen Nonnen des Hospizes kam ich wieder zu Kräften; ich machte meine ersten zittrigen Schritte; ich behielt feste Nahrung bei mir und sogar etwas Wein; ich wusch und kleidete mich selbst; ich verließ unter Bewachung meine Zelle und machte auf dem Hof des Hospizes kleine Spaziergänge. Einmal kam ich zu einem Ort, wo ein Spiegel war, und sah mein Gesicht und erkannte, wie nah ich dem Tode gekommen war: Denn mein Gesicht war hager und eingefallen, mit tiefen Furchen in den Wangen und dunklen Ringen um die Augen, und meine Haut war fahlbleich und mein Aussehen katarrhalisch – und dies nach Monaten und Monaten der Erholung! Ich habe immer gewußt, daß der Herr über mich wacht, denn in unserer harten Welt ist es schon ein Sieg, über die Tage der Kindheit hinaus zu leben, doch ich glaube, ich muß mehr Leben als die meisten Katzen und eins oder vielleicht zwei davon mit diesem Pestleiden verloren haben, das ich mir im vom Fieber heimgesuchten Masanganu zuzog.
Doch die Rückkehr meiner Gesundheit brachte mir wenig Freude. Denn sobald man sah, daß ich wieder laufen konnte und etwas Fleisch ansetzte, kam ein reich gekleideter Hauptmann der Portugiesen zu mir und sagte: »Du wirst in den Kerker verlegt. Mach dich bereit und komm mit.«
Ich protestierte, jedoch vergeblich. Ich verlangte den Gouverneur zu sprechen, doch es gab natürlich keinen Gouverneur. Ich führte an, daß ich bereits in den Diensten der Kolonie stünde, als Lotse der Pinasse des Gouverneurs. War es Torheit, die Portugiesen zu bitten, für sie zu schuften? Wenn ich erhört wurde, schickte man mich zurück nach Masanganu, wo mich beinahe mein Schicksal ereilt hätte. Nein, es war keine Torheit. Denn es ist abscheulich, in einem Kerker zu vermodern. Man muß den Stolz beiseite stellen, wenn man Freiheit – oder scheinbare Freiheit – haben kann.
Dieser Hauptmann, der für einen Portugiesen ein anständiger Mann war, empfand Mitgefühl für mich. Doch Gouverneur Pereira hatte befohlen, ich gehöre eingekerkert, und so mußte ich in den Kerker, da kein Gouverneur da war, um Pereiras törichten Befehl aufzuheben, und niemand traute sich, eine andere Verwendung für mich zu finden.
So wurde ich barsch zu dem Presidio auf den Höhen des São Miguel, der die Stadt überblickte, zurückgeschleppt. Und als ich wütend meinen Arm von einem der Portugiesen losriß, die mich dorthin führten, versetzte mir ein anderer von hinten mit seinem Knüppel solch einen Schlag in die Nieren, daß ich zu Boden stürzte und dachte, ich würde dort im Staub meinen Geist aufgeben.
Sie brachten mich in den gleichen verdreckten unterirdischen Kerker zurück, in den Tomer und ich nach unserer ersten Ankunft in São Paulo de Luanda gesperrt worden waren. Und das Tor schloß sich. Und dort saß ich in der Dunkelheit und dem
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