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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Jedes Mal, wenn ich Tore schlagen hörte, brach mir der Schweiß aus und erwachten meine Lenden zum Leben, doch es war immer nur ein Wachposten, der mir Mehlsuppe oder Haferschleim oder einen anderen schrecklichen Brei brachte. Doch beizeiten kam sie wieder, und wieder, und noch viele Male.
    »Wie kommt es«, fragte ich, »daß du dich in diesem Gefängnis nun so frei bewegen kannst? Du kommst und gehst, als wärst du ein Hauptmann der Wache.«
    »Ah«, antwortete sie, »das bin ich nicht, doch der Hauptmann der Wache ist mein Freund. Er war es, der mir das Recht gewährt hat, dich zu besuchen.«
    Bestürzende heiße Eifersucht brandete in meinem Fleisch auf, denn ich glaubte zu wissen, was sie mit »Freund« meinte.
    »Diesen Stutzer meinst du, den mit den hübschen purpurnen Hosen?«
    »Ja, diesen. Du kennst ihn also?«
    »Ich habe ihn einmal gesehen. Er war es, der mich vom Hospiz in den Kerker brachte.«
    »Er ist Fernão de Souza. Er ist jung und ehrgeizig, und er will eines Tages ein mächtiger Mann in Afrika sein.«
    »Wie sie es alle wollen, diese Portugiesen, nicht wahr? Dein Freund Mendoça, der, wie du sagst, mich begnadigen wird, hofft auch, eines Tages in diesem Land bedeutend zu sein.«
    »Fürwahr. Und Souza glaubt, indem er mir zu Gefallen ist, auch Mendoça, der mächtiger ist, zu gefallen. So kann ich ihn benutzen und herkommen und dich besuchen so oft ich möchte. Er seinerseits benutzt mich, indem ich vor Mendoça gute Dinge über ihn sage.« Wie ein Hitzegewitter flackerte Unheil über ihre Züge. »Siehst du, Andres, wie einfach es für mich ist?«
    »Wenn jemand deine Schönheit hat, ist alles einfach.«
    »Schönheit ist nicht das Geheimnis. Klugheit ist es. Ich weiß, was ich will, und daher suche und bekomme ich es.«
    »Und was ist es dann, was du von mir willst?«
    »Glaubst du denn, daß ich dir dies offen sage, Andres?«
    »Aye«, entgegnete ich. »Denn du weißt, daß ich ein freimütiger und offener Mann bin und Unaufrichtigkeit nicht die Medizin ist, die du bei mir benutzen müßtest. Ich antworte offen und ehrlich auf eine direkte Frage.«
    »Das tust du.«
    »Was für eine Rolle soll ich also in dem Epos deines Lebens spielen, Doña Teresa?«
    »Nun, du wirst mich nach Europa bringen.«
    »Was?« fragte ich erstaunt.
    »Dies ist mein großer Traum. Du weißt, ich bin eine afrikanische Frau, die nur den Kongo und Angola gesehen hat und für die die anderen Teile der Welt nur ein Märchen sind. Komme ich dir europäisch vor, Andres?«
    »Aye, sehr.«
    »Ich bin es aber nicht. Dennoch eifere ich danach, europäisch zu sein. Ich spreche wie eine Europäerin und trage portugiesische Kleider und halte mich an die christlichen Weisen. Ich hasse diesen Ort. Ich bin der Hitze und des Regens und der Trockenheit und der Flüsse voller menschenfressender Ungetüme überdrüssig. Ich trinke guten Wein und bedecke mich mit Pudern und Parfums und stelle mir vor, eine Frau am Hofe zu sein, wo ich doch weiß, daß dies nur die Wildnis ist, mit den Jaqqas im Dschungel, die mich essen würden, könnten sie es, und großen Elephantos, die die Bäume niederreißen, und vielem anderen Getier. Ich will Musik hören. Ich will Theater besuchen. Ich möchte, daß mein Porträt gemalt wird, und mit Herzogen kokettieren.«
    »Ach, meine Dame, dann soll ich Euch nach Lissabon geleiten? Oder nach Madrid?«
    »Warum nicht nach London?«
    »Soll ich meinen Mantel ausbreiten und dorthin fliegen, während du dich an mir festhältst? Ach, ich kann nicht fliegen! Ich habe nicht einmal einen Mantel!«
    »Du wirst Afrika eines Tages verlassen, Andres.«
    »Darum ersuche ich in jedem Gebet.«
    »Und du wirst mich mitnehmen. Ja? Du wirst mich der Königin Elisabeth vorstellen und sagen: Hier ist eine Frau vom Hofe des Kongo, die nun wünscht, Eure Hofdame zu sein.«
    Ich lächelte. »Du schätzt mich falsch ein, Teresa, wenn du glaubst, die Königin und ich seien Spielgefährten. Doch soviel verspreche ich dir: Verhilf mir zu Flucht, und ich werde versuchen, dich mitzunehmen, wenn ich dieses Land verlasse.«
    Ach, solche Lügen sprechen wir, wenn feste Schenkel und pralle Brüste so nahe zur Hand sind!
    War es eine Lüge? Ich glaube, in diesem Augenblick war es Gottes eigene Wahrheit, und vor meinem inneren Auge sah ich, wie wir beide gemeinsam aus Afrika flohen, in irgendeinem robusten kleinen Boot die Küste entlang und hinauf zu den Kanarischen Inseln und zur Schwelle Europas. Doch wie sollte dies sein? Allein zu

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