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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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nur durch den Zufall der Geburt. Wenn es keinen Sohn gibt, muß die Tochter den Thron bekommen, oder der königlichen Familie geht die Macht verloren, ist es nicht so? Ich glaube, selbst die Spanier, für die eine Frau nichts ist, haben Königinnen gehabt.«
    »Aye, Isabella von Kastilien und vielleicht noch andere.«
    »Doch welche anderen Ämter in England halten die Frauen? Sitzen sie in euren Gerichten und gehen sie zu euren Ratsversammlungen?«
    Ich dachte einen Augenblick lang nach.
    »Nay, das ist unmöglich.«
    »Unmöglich oder nur undenkbar?«
    »Es gibt keine Frauen in unserem Parlament. Wir wählen auch keine zu unseren Richtern.«
    »Und zu euren Priestern? Gibt es Frauen darunter?«
    »Nay, auch das nicht.«
    »Doch ihr habt eine Königin. Sie hat die höchste Gewalt inne, läßt Köpfe rollen, wenn es ihr gefällt, und entfesselt Kriege. Doch unter ihr gibt es keine Frau, nicht wahr, Andres?«
    »So ist es. Bis auf die Königin sind die Frauen in allen Dingen ihren Vätern und Gatten Untertan.«
    »Also ist es bei euch Europäern gleich. Eine kluge Frau muß herrschen, indem sie ihren Beherrscher beherrscht, wenn sie nicht als Königin geboren ist. Hältst du mich für klug, Andres?«
    »Du bist die klügste Frau, die ich jemals gekannt habe, obwohl es sein mag, daß unsere Elisabeth dir mehr als nur ebenbürtig ist. Doch sonst vielleicht keine.«
    »Dann werde ich erringen, was ich mir ersehne«, sagte sie, »nämlich die Königswürde und Macht oder zumindest eine sehr hohe Stellung. Pfui, eine Frau hat mehr Rechte unter den Mohren des Kongos, als man ihr in Europa gewährt. Die Schwarzen haben auch Königinnen gehabt. Und ihre Frauen dürfen Besitztümer halten. Eure sind Besitztümer.«
    »Du sagst ›sie‹ und ›Mohren‹, wenn du vom Volk des Kongos sprichst. Du sagst ›diese Portugiesen‹, wenn du von den Portugiesen sprichst. Stehst du also außerhalb beider Völker und betrachtest sie alle als Fremde?«
    Sie senkte den Blick. »So kann man sagen, ja.«
    »Außerhalb von beiden, keinem zugehörig? Schmerzt es dich nicht, daß du kein wahres Volk hast, Teresa?«
    »Dies habe ich mir nicht so erwählt.«
    »Wer waren deine Eltern?«
    »Mein Vater war ein Portugiese am Hofe von Don Alvaro, dem Manikongo, das heißt, dem schwarzen König. Er war ein Berater in militärischen Belangen und diente dem Manikongo tapfer, als die Jaqqas in sein Königreich einfielen und den König in die Verbannung auf der Hippopotamus-Insel trieben. Er war Don Rodrigo da Costa, ein sehr großer Mann. Er ist jetzt tot, gestorben an einem Fieber, das er sich im Kampf zuzog.«
    »Und deine Mutter?«
    »Doña Beatriz, deren Vater Duarte Mendes war, der Sieger von São Tomé. Es heißt, sie sei sehr wunderschön und mir sehr ähnlich gewesen, nur, daß sie dunkler war, da sie mehr afrikanisches Blut hatte als ich. Ich habe sie nicht gekannt. Sie starb, als ich ein kleines Kind war.«
    »Das betrübt mich. Auch ich habe meine Mutter früh verloren.«
    »Die Jaqqas haben sie geholt und wohl bei einem ihrer Feste benutzt.« Einen Augenblick lang zeigten ihre Augen Schmerz und Zorn. Dann sah sie mich an und sagte: »Wenn sie gelebt hätte, wäre sie eine große Frau geworden. Ich werde an ihrer Statt eine große Frau sein. Ich werde den Ort in diesem Land suchen, an dem sich die Macht ballt, und Besitz von ihr ergreifen. Außer« – sie lächelte böswillig – »außer, du bringst mich von hier fort, wenn du fliehst, und führst mich nach England. Auch in England werde ich berühmt und bedeutend sein. Berichte mir von England, Andres.«
    »Was möchtest du wissen?«
    »Ist es kalt dort?«
    »Nay, nicht sehr. Das Land ist grün. Der Regen fällt das ganze Jahr über, und das Gras ist dick.«
    »Ich habe von einer Sache gehört, die ihr Schnee nennt.«
    »Es gibt nicht viel davon«, sagte ich.
    »Verrate mir, was dies ist.«
    »Schnee ist Regen, der im Winter gefriert und vom Himmel fällt und das Land wie ein weißes Tuch bedeckt, doch gewöhnlich nicht sehr lange.«
    »Gefriert? Dieses Wort ist mir unbekannt.«
    Ich suchte und überlegte, wie ich es ihr erklären konnte. »Auf den höchsten Bergen Afrikas ist die Luft doch kalt, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Und sind die Gipfel dieser Berge nicht von einer weißen Masse bedeckt?«
    »Dies habe ich gehört. Aber ich habe es noch nicht selbst gesehen.«
    »Diese weiße Substanz ist Wasser, das durch die Kälte hart und zu Schnee geworden ist. Doch warum sprechen wir so viel

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