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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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auch, wenn ich mich daran erinnere. Doch ich war dort, nicht Ihr, und ich schwöre bei den blutigen Handmalen Jesu, daß ich an diesem Tag keusch blieb.
    Doch nein, ich muß noch etwas hinzufügen, was diese meine Worte glaubwürdiger macht. Denn als meine Säuberung ihren Verlauf nahm, wurde mein Geist benommen wie bei einem Sonnenstich, mein Blick bewölkte sich, und meine Wahrnehmungen beschränkten sich einzig auf diesen schmerzenden Stab, der aus meinen Lenden wuchs. Ich sog den Atem tief in die Lungen und wußte, daß ich diesem Geschenk, was mir anscheinend so freigiebig angeboten wurde, nicht mehr länger widerstehen konnte. Ich war auf und an, nach ihr zu greifen, sie auf mein Strohlager zu ziehen, ihre Robe zu heben und mich tief in ihren Hafen zu versenken, wobei alle Gedanken an England und Anne Katherine und die Keuschheit aus meinem Kopf verdrängt waren. Dann plötzlich erhob sie sich, trat zurück und sagte kühl, fast brüsk: »Nun, jetzt seid Ihr wenigstens anständig sauber. Kleidet Euch an und laßt uns den Wein genießen.«
    Es war, als hätte man mir einen Becher alten Essig in die Augen geschleudert. Ich stand verblüfft da, meine Seele voller Verlangen, und sie hatte die Zelle schon halbwegs durchschritten und zerrte den Korken aus der Flasche. Was konnte ich tun, frage ich, um nicht zu ihr zu stolpern und mich auf sie zu werfen, denn ich war in diesem Augenblick wie ein Katapult, das man bis zum Äußersten gespannt hatte: das heißt, wie kann das Katapult seine Ladung ablegen, sobald der Mechanismus einmal in Gang gesetzt ist? Das einzige, was mich zurückhielt und mich wieder zu Sinnen kommen ließ, war die Befürchtung, ich hätte sie gänzlich mißverstanden. Vielleicht war doch keine Koketterie in ihrem Gehabe gewesen und keine Herausforderung durch die Freiheiten beabsichtigt, die sie sich mit meinem Körper erlaubt hatte. Vielleicht empfand sie keinen Fetzen der Begierde für mich, sondern sah mich lediglich als einen übelriechenden Gefangenen an, der einer Säuberung bedurfte. Und vielleicht war dies alles eine Prüfung, um zu sehen, ob man mir vertrauen konnte, und sechs Wachen vor der Zelle würden bei Doña Teresas erstem Aufschrei über mich herfallen.
    Dies war fürwahr ein abkühlender Gedanke. Die Furcht überwand das Verlangen. Denn ich war unter Portugiesen, die sich an jedem erdenkbaren Spiel erfreuen mochten, sogar an diesem, und vielleicht suchten sie nur nach einem Vorwand, mich zu hängen. Es könnte als Anklage genügen, eine Frau ihrer Nation überfallen zu haben, und vielleicht war sie Teil einer Verschwörung, mich unter Anklage zu stellen. Sogleich wich das Blut aus meinem Stab, und ich drehte mich um und suchte meine schäbige Kleidung.
    Sie tat, als sei ihr nicht bewußt geworden, welche Gedanken mir durch den Kopf gingen – ich weiß, daß sie es nur vorgab –, und lächelte überaus freundlich und bot mir einen Kelch Wein an.
    Wir tranken zusammen wie ein Lord und eine Lady. Wir hielten uns frömmig voneinander fern und sprachen über unbedeutende Dinge. Ich war durch die Spiele, die sie mit mir getrieben hatte, verwirrt und völlig außer Fassung gebracht; meine Kiefer schmerzten, weil ich sie zusammendrückte, meine Augen pochten, und um meine Stirn lag ein Feuerband. Der Wein verschaffte mir Erleichterung, doch nur mäßige. Ich glaube, ich wurde ein wenig trunken und blickte mehr auf ihren Busen denn in ihr Gesicht, was sie bemerkte, doch sie enthielt sich weiterer Herausforderungen, und ich kam ihr nicht näher.
    Nach einiger Zeit sagte sie, sie müsse gehen, und sie sammelte die leere Flasche und die Kelche ein und steckte sie in eine Strohtasche; dann trat sie vor mich und lächelte und blitzte mich so direkt und offen einladend an, daß ich glaubte, meine Kniescheiben würden schmelzen. Doch bevor ich es begriff und überlegen konnte, welche Erwiderung ich machen sollte, küßte sie mich leicht auf die Wange, ein schwesterlicher Kuß, die Berührung eines Schmetterlings, wünschte mir freundlich alles Gute und ging.
    Dieser Besuch brachte meinen Geist in tiefe Verwirrung. In den folgenden Tagen durchlebte ich ihn tausend Mal in der Erinnerung und fragte mich, ob es ihre Absicht gewesen war, solch ein Verlangen in mir zu erzeugen, oder ob ich ihre Absichten völlig mißverstanden hätte. Sicher war, daß ich beabsichtigt hatte, meine Keuschheit zu bewahren; sicher war ebenso, daß wie durch Magie alle Keuschheit aus mir gewichen war, als sie mich

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