Herr der Finsternis
davon? England hat nur wenig Schnee. Es ist ein mildes, kühles Land mit süßer Luft und schönen weichen Wolken, und manchmal ist der Himmel grau vor Feuchtigkeit und Nebel, doch selbst das haben wir lieben gelernt.«
»Ihr zürnt dort dem Papst.«
»Aye, das tun wir!« Ich starrte sie an. »Du weißt vom Papst? Was bedeutet er dir?«
»Der Papst ist der König der Christenheit«, sagte Doña Teresa. »Der Papst ist die rechte Hand Gottes, und König Philip und all seine Untertanen sind ihm Untertan.«
»Dann bist du also Christin?«
»Mein Vater war Don Rodrigo da Costa, und ich bin keine Wilde, Andres«, sagte sie mit großer Würde. »Warum verspottet ihr Engländer den Papst und lehnt ihn ab?«
»Nun, weil es Wahnsinn ist, von einer religiösen Gewalt regiert zu werden, von der wir über tausend Meilen durch Meere und Gebirge getrennt sind und die über Fragen des englischen Gesetzes nach den Maßstäben Italiens und Spaniens und manchmal Frankreichs, aber niemals nach denen Englands urteilt. Der Papst hat vor, unsere Königin zu entthronen. Der Papst würde uns der Gewalt unserer Feinde ausliefern. Der Papst hat immer versucht, uns vorzuschreiben, was wir tun dürfen, und manchmal ist es ihm gelungen; doch schließlich hat der Große Harry ihn besiegt…«
»Der Große Harry?«
»König Heinrich, der der achte dieses Namens war, der Vater von Königin Elisabeth.«
»Den Papst besiegt? Wie war das möglich? Der Papst herrscht noch immer in Rom.«
»In Rom, aye. Doch wir haben uns befreit. Und vor gierigen Mönchen bewahrt, die das Volk ausbluten lassen, um ihren Wohlstand zu mehren, und uns selbst ignoranten Mummenschanz und unsinnige Irrlehren erspart, die uns in einer uralten Sprache intoniert werden und uns im Gestank von Weihrauch und dem Anbeten von Heiligen ersticken.«
»Nun, dann seid ihr keine Christen!«
»Christen sind wir«, sagte ich, »doch wir sind Engländer, und das macht in allen Dingen einen Unterschied.«
»Ja«, sagte sie. »Engländer haben gelbes Haar und hassen den Papst. Dies sind die wichtigsten Unterschiede. Du mußt mir ein anderes Mal mehr von England erzählen. Und von dir selbst: Du mußt mir von deiner Kindheit berichten und wieso du zur See gefahren bist und ob es jemanden in England gibt, den du liebst, und wie du den Portugiesen in die Hände gefallen bist und viele andere Dinge. Doch wir werden später darüber sprechen.«
»Aye, später.«
»Und nun laß uns nicht mehr reden«, sagte sie.
Womit ich einverstanden war, denn sie drückte sich gegen mich und rieb ihre seidenweiche Haut an meiner Brust, und wieder einmal verzauberte sie mich mit ihrer schamlosen Art, umarmte und verschlang mich, und dieser Seesternschlund sog mich ein. Sie kannte keine Scham. Doña Teresa war der Mittelpunkt der Welt, und alle anderen Dinge steuerten um sie herum, und das, was sie begehrte, nahm sie sich auch, seien es Juwelen oder schöne Kleider oder die Körper der Männer. Und doch war eine Leichtigkeit und Offenheit daran, die dies überhaupt nicht unbehaglich machte; es war, als sei sie ein Mann, als folge sie lediglich ihrem Stern, wie wir dem unseren folgen.
Warum ist dieser Ehrgeiz bei einem Mann eine Tugend und bei einer Frau eine boshafte Diskordanz? Warum ist diese Lust bei einem Manne ein Zeichen von Stärke und bei einer Frau ein Stigma der Verderbtheit? Aye, es gibt genügend gefallene Frauen, doch niemals einen gefallenen Mann, bis auf jene, die töricht genug waren, sich von höheren Positionen hinabstoßen zu lassen.
Durch unsere fieberhaften Kopulationen auf dem Boden dieser düsteren, stinkenden Gefangenenzelle lernte ich von Doña Teresa da Costa viel über die Welt. Ich lernte, daß in gewissen Aspekten des Charakters eine Frau einem Mann sehr ähneln konnte, ohne etwas von ihrer Weiblichkeit aufzugeben, wenn sie klug genug war. Ich lernte, daß sich ein gesamtes Geschlecht in verschwenderischer Müßigkeit und Plaudereien ergeht, weil wir es zu unserem eigenen Vorteil unterdrücken. Ich lernte, daß im dunkelsten Herzen Afrikas Grazie und Klugheit und Kraft blühen konnten, die jedem Königreich zur Ehre gereicht hätten.
All diese Dinge hätte ich sicher, schätze ich, aus genauerer Betrachtung meiner Königin ebenfalls lernen können. Denn Bess ist sicherlich eine Fürstin unter Fürsten, eine Frau mit allen Eigenschaften des Mannes und auch denen der Frau, und sie straft die Lügen, die behaupten, dieses Geschlecht sei einfach und schwach. Doch es war
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