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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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näherten sich mir, bis sie mich beinahe berühren konnten. Während mein Haar und meine Haut im strahlenden Sonnenlicht glänzten, glaubte ich beinahe, der Apollo der Griechen zu sein, und ich lächelte und streckte der Menge die Arme entgegen und gab vor, sie ernst zu segnen, bis Pedro Faleiro mich in die Rippen stieß und sagte: »Erspare uns diese Komödie, Piloto.«
    Durch diese zusammengelaufene Menschenmenge bahnten wir uns den Weg zum königlichen Palast, damit wir unsere Empfehlungs- und Beglaubigungsschreiben präsentieren konnten. Das Volk von Loango wich vor uns mit der Ehrfurcht und Ergebenheit auseinander, die die farbigen Völker der Welt den Europäern so bereitwillig entgegenbringen und durch die die Spanier und Portugiesen so große Gebiete auf Kosten so weniger Menschenleben erobern konnten. Ich frage mich, ob sie uns wirklich für Götter hielten oder unsere weiße Haut sie überzeugte, daß wir aus der Geisterwelt kämen und sie uns Gehorsam erweisen mußten? Hätten sich die Azteken und die Völker von Peru und aller anderer niedergeworfener Nationen erhoben und wären sie bereit gewesen, für ein jedes Leben eines Eindringlings fünfzig ihrer eigenen zu opfern, dann hätten sie sicherlich König Philips Truppen ins Verderben stürzen und sich ihre Reiche bewahren können. Doch sie haben es nicht getan.
    Als wir zu den königlichen Gebäuden gelangten, zeigte Faleiro mir eine Gruppe auf der südlichen Seite, die alle mit Pfostenpalisaden umzäunt waren, und sagte: »Dies ist der Harem.«
    »Ich kenne dieses Wort nicht«, erwiderte ich.
    »Es stammt von den Mohren und bezeichnet den Ort, an dem des Königs Frauen verwahrt werden. Kein Mann darf diesen Ort betreten.«
    Es waren so viele Gebäude, daß sie schon den Eindruck eines kleinen Dorfes machten. Ich war erstaunt. »Bei Gott«, rief ich, »wie viele Frauen hat dieser Mann denn?«
    »Einhundertundfünfzig oder mehr«, sagte Faleiro.
    »Jesus!«
    »Das ist noch wenig. Der alte König, der vor ihm herrschte, hatte doppelt so viele. Und vierhundert Kinder. Oder waren es viertausend, Andrade?«
    »Vierhundert, glaube ich«, sagte der Bootsmann.
    Ich schüttelte den Kopf. »Das reicht schon. Einhundertundfünfzig Frauen! Jesus, wenn er eine pro Nacht besucht, braucht er ein halbes Jahr, um sie alle zu beschlafen!«
    Faleiro bedachte mich mit einem lüsternen Blick. »Wäre solch eine Lebensweise nicht nach deinem Geschmack, Piloto?«
    »Nay«, sagte ich wahrheitsgemäß. »Besser eine Frau und ihren lieben Körper einhundertfünfzig Mal im Jahr umarmen, als einhundertfünfzig und jede einmal umarmen.«
    Diese Worte erinnerten mich an meine Heimat und meine Frau und erweckten die Traurigkeit und das Heimweh, das stets dicht unter der Oberfläche meiner Seele liegt. Und dieses ganze Gerede von Frauen und Beischlaf erweckte in mir dunkle, heiße Gedanken an Doña Teresa, die mir am meisten fehlte. Ach, war es also der Verlust von Anne Katherine, den ich betrauerte, oder die Trennung von der verhexenden Portugiesin? Ich wußte es nicht. Ich wußte es ganz und gar nicht, und dies stürzte mich in eine neue Verzweiflung. Denn mußte ich nun nicht eingestehen, daß Anne Katherine und alle unsere Pläne in das Reich der Nebel und Hirngespinste gezogen waren und es die samtenen Schenkel und prallen Brüste von Doña Teresa waren, die ich ersehnte? Und doch hatte ich Doña Teresas kleine Hexenfigur mitgenommen und behielt sie die ganze Zeit über eng an meinem Körper und streichelte sie dann und wann, als streichelte ich ihr selbiges Fleisch; und wenn ich sie berührte, wurden meine Hoden schwer vor Verlangen und hitzigen Erinnerungen. Dies stieß mich ab, denn es war Hexerei, und Hexerei verabscheue ich zutiefst: Doch obwohl ich oftmals überlegt hatte, dieses kleine Idol um Jesu willen ins Meer zu werfen, hatte ich es nicht getan und konnte es um Doña Teresas willen auch nicht. All diese Gedanken fuhren mir in diesem Augenblick durch den Kopf und stürzten mich in Verwirrung.
    Die derben Portugiesen hatten nicht den Verstand, um zu erkennen, daß ich meinen Gedanken nachhing, sondern zogen mich auf und scherzten mit mir, wie es mir gefallen würde, König zu sein und solch einen Überfluß an Frauen zu haben. Doch ich verspürte keine Fröhlichkeit, und meine Gedanken galten anderen Dingen, die sie nicht verstehen konnten.
    Und dann sagten sie mir, wenn ein Mann diesen Harem beträte, wenn er in den Armen einer Frau aufgegriffen würde oder auch nur

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