Herr der Finsternis
mit ihr spräche, dann würden beide auf den Marktplatz gebracht werden, und man schnitte ihnen die Köpfe ab und würde sie vierteilen und den ganzen Tag über so zerrissen auf der Straße liegen lassen. Faleiro hatte einmal solch eine Hinrichtung gesehen und Andrade ein anderes Mal ebenso.
Ein Mann aus unserer Besatzung namens Mendes Oliveira, der von uns allen die Zunge dieses Reiches am besten beherrschte, sprach mit einem Würdenträger, der herauskam, um uns zu begrüßen, und verabredete, daß wir den König aufsuchen konnten, wenn er hofhielt. Dies geschah jeden Tag zwischen ein Uhr nachmittags und Mitternacht und würde gleich der Fall sein; so wurden wir schnell zu dem Hauptpalast geführt, der kein echter Palast war, sondern nur ein großes Gebäude aus Flechtwerk und Stroh und Schlamm mit einem gewölbten Dach, das mit Vorhängen und purpurroten Tapisserien behangen war, damit es herrschaftlicher wirkte. Es war voller Adliger, die auf weißen Teppichen auf dem Boden saßen. Daß es sich um Adlige handelte, war einwandfrei ersichtlich, denn sie waren höchst aufwendig mit den prächtigsten Gewändern aus Palmstoff gekleidet, die im hellsten Gelb und Scharlach und Blau leuchteten, und überdies trugen sie Schurze aus schönen und sorgsam gearbeiteten Fellen wie denen des Panthers, der Zibetkatze, des Zobels, des Marders und so weiter, an denen noch die Köpfe hingen. Eines noch größeren Eindrucks willen hatten sie sich eine Art runden Chorrock über die Schulter geworfen, der in ihrer Sprache Nkuto hieß, bis über das Knie fiel und wie ein feines Netz aus Palmfaden gewebt war; die Nahtstellen waren mit gefransten Quasten besetzt, was sehr hübsch anzusehen war.
Eine lange Zeit sprach niemand. Dann trat der König ein und ging zum vorderen Ende des Hauses, wo eine Art Thron für ihn errichtet war. Im Gegensatz zu seinen Adligen war er äußerst einfach bekleidet, mit einem kurzen Lendentuch aus reinstem Weiß und einem weiteren Streifen weißen Stoffes um den Kopf. Die Dunkelheit seiner Haut und das Weiß dieser gestärkten Kleidungsstücke verliehen ihm eine überwältigende königliche Ausstrahlung, einen Glanz, der den übertriebenen Putz der anderen bei weitem übertraf. Doch nur dieses eine Mal sah ich ihn so einfach gekleidet; alle anderen Male, die ich ihn sah, trug er die reichste und prachtvollste Kleidung.
Er war ein stark gebauter Mann, der etwas zum Verfetten neigte. Als er Platz nahm, schlugen alle anderen in die Hände und begrüßten ihn, indem sie riefen: »Nzambi! Ampungu !« , was, wie ich später erfuhr, »O allerhöchster Gott« bedeutet. Denn das Volk von Loango hält seinen König gleichzeitig für Gott, und ich nehme an, würde er dem Papst begegnen, so würde er erwarten, daß der Papst niederkniet, da er, der Maloango, glaubt, von höherem Rang zu sein.
Der König nahm diese Ehrungen freundlich hin, bis er genug davon hatte. Dann musterte er uns und stieß eine Begrüßung aus – dies glaubten wir zumindest –, die sich wie »Byani ampembe mpolo, muneya ke zinga!« anhörte.
»Er heißt uns willkommen«, murmelte Oliveira, der laut auf portugiesisch erwiderte: »Im Namen Seiner Höchsten Katholischen Majestät Philip des Zweiten von Portugal und Spanien danken wir Euch, o König von Loango, und möge der Segen Gottes und Seines Sohnes auf Euch und Euer Königreich fallen.« Diese oder ähnliche Worte sprach er mit volltönender Stimme, woraufhin er sie dann in der einheimischen Sprache wiederholte.
Erst nach vielen Jahren sollte ich die wirkliche Bedeutung des Grußes des Maloango verstehen, als ich sie noch einmal vernahm und die Sprache mittlerweile fließend beherrschte. Denn die Worte Byani ampembe mpolo, muneya ke zinga ! haben in Wirklichkeit die Bedeutung: »Mein Gefährte, das weiße Gesicht, das sich aus der Erde erhob und nicht lange leben wird.« Fürwahr eine seltsame Begrüßung! Doch sie war keineswegs als Bedrohung gemeint, wenngleich Oliveira, hätte er ihren Sinn verstanden, es gut so hätte hinbiegen können. Die Bedeutung ergibt sich aus dem Glauben der Mohren, daß der weiße Mann ein Geist ist, der sich mit seinem Schiff vom Meeresboden erhebt; und solange er sich an Bord seines Schiffes aufhält, wird er ewig leben, doch sobald er an Land kommt, ist er zu einem frühen Tod verdammt. Dieser Glaube rührt wohl daher, daß in diesem Land so viele Portugiesen an Fieber und Ausfluß gestorben sind. Und dies erklärt vielleicht, warum sie uns mit solcher
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