Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
daß ich ihn tief in seiner schäbigen Seele getroffen und erschreckt hatte: Denn habgierig mochte er zwar sein und windig und spöttisch und nur von seiner Gier geleitet, doch niemand kann gänzlich die Macht der unsichtbaren Welt leugnen, wenn er sich nicht in tödliche Gefahr begeben will. Und so glaube ich, daß es zu einem Zwiestreit in Tristão Caldeira de Rodrigues kam, bei dem er seinen großen Vorteil gegen seine Liebe zum Leben setzte und über die Gefahren der See nachdachte und, glaube ich, zum ersten Mal in Erwägung zog, daß es wirklich Hexenfeuer geben könnte, die die Schätze der Toten der Loangos bewachen könnten.
    Ich sah, wie sich all dies auf dem Gesicht dieses wertlosen jungen Burschen widerspiegelte, sein Zorn auf mich, daß ich seinen Diebstahl aufgedeckt hatte, und seine Furcht, bei einem Schiffbruch zu sterben. Und ich glaube auch, daß er über noch etwas anderes nachdachte: Nämlich, wie er verhindern konnte, daß Faleiro von seinem Verbrechen erfuhr, entweder weil er glaubte, er könne die gestohlenen Güter an seinen Kapitän verlieren, oder weil er Angst vor schwerer Strafe hatte.
    Auf jeden Fall stellte er in sehr wenigen Augenblicken sehr viele Überlegungen an; und dann sagte er, mich nachdenklich musternd: »Wirst du Faleiro nichts verraten, wenn ich das, was ich genommen habe, auf den Friedhof zurückbringe?«
    »Dann werde ich nichts sagen.«
    »Und darf ich deinem Wort glauben?«
    »Hältst du mich für einen Schurken? Ich habe nicht das Glück, der Sohn eines Herzogs zu sein; daher muß ich allein mit meiner Ehre auskommen.«
    »Du bist ein lästiger Unruhestifter, Piloto, und ein Narr.«
    »Aber kein Schurke, Bursche.«
    »Hüte deine Zunge, oder ich schneide sie mit meiner Klinge heraus!«
    Seine Drohung bereitete mir kein Unbehagen.
    »Wir sprachen davon, daß du zurückbringst, was du gestohlen hast«, sagte ich ruhig.
    »Da du mir keine Wahl läßt, werde ich alles zurückbringen. Doch ich werde es dir eines Tages heimzahlen. Und ich werde nicht verbergen, daß ich dich zutiefst verachte, weil du mich zwingst, diese Schätze zurückzubringen.«
    »Verachte mich, wie du nur willst, guter Freund«, sagte ich. »Doch zumindest werden deinetwegen keine Flüche auf mein Schiff fallen, während ich auf See bin.«
    Er richtete sich zu voller Größe auf, die nicht sehr beachtlich war, trat dicht vor mich und sagte: »Ich gebe nicht den kleinsten Teil eines Cruzeiros um deine Furcht vor Flüchen. Ich glaube, es ist Frauentorheit, über die Rache der Geister der Mohrenaffen zu grübeln. Und was den Respekt vor den Toten betrifft, nun, ich habe keinen Respekt vor diesen lebenden Affen, warum sollte ich dann welchen vor den toten haben? Doch es gibt eins zu bedenken, nämlich deine Furcht vor Hexerei, die so groß ist, daß man dir nicht ausreden kann, mit deiner Geschichte zu Faleiro zu laufen, und wenn du dies tust, wird es mir schlecht ergehen. Also könnte ich dich an Ort und Stelle töten, oder ich muß zurückgeben, was ich mir durch meinen Mut und meine Geschicklichkeit rechtmäßig angeeignet habe. Bei Gott, ich sollte dich töten. Doch ich glaube, ich werde es nicht tun. Ich werde den Schatz zurückbringen.«
    »Ich werde dich begleiten«, sagte ich.
    Er starrte mich wütend an. »Reicht dir mein Wort nicht?«
    »Es ist gefährlich, auf diesen heiligen Ort zu schleichen. Ich werde mit dir gehen und Wache für dich halten, während du zurückgibst, was du genommen hast.«
    Ich glaubte schon, er wolle mich wirklich angreifen; und ich sah, wie seine Finger zitterten, als wollten sie zu seinem Dolch fahren. Ich war bereit für ihn. Ich glaube, er wußte das. Und obwohl sein Haß auf mich rauchte und beinahe den Siedepunkt erreicht hatte, unterdrückte er dennoch seinen Zorn, was überaus klug von ihm war. Gemeinsam gingen wir zu seinem Quartier, wo er in einer eichenen Truhe eine erstaunliche Anzahl von Kostbarkeiten verborgen hatte, alle möglichen Edelsteine und kleine, kunstvolle Elfenbeinschnitzereien. Überaus verdrossen trug er diese Dinge zusammen, und in meiner Begleitung brachte er sie auf den Friedhof zurück und hätte sie ohne eine Zeremonie auf den nackten Boden geworfen, doch ich drängte ihn überaus bedrohend dazu, sie zu vergraben. Was er auch tat, und ich glaube, selbst in diesem Augenblick spielte er mit dem Gedanken, mich an diesem einsamen, von gewaltigen Elephanto-Zähnen umzäunten Ort zu ermorden, nur, daß er zu feige war, diesen Versuch zu unternehmen.

Weitere Kostenlose Bücher