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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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schwach, daß schon ein leichter Wind genügt hätte, um es davonzutragen.
    All dies geschah so schnell und inmitten eines solchen Chaos, daß ich kaum die Zeit hatte, über die traurige Verstümmelung unserer schönen kleinen Pinasse nachzudenken noch über die Gefahren, die sich vor uns auftürmten. Doch als der Wind nach einiger Zeit etwas nachließ, hatten wir einen gewissen Aufschub; und während wir arbeiteten, ereiferten wir uns über die Wendung des Schicksals, das uns im einen Augenblick so reich mit Fracht bedacht hatte, während wir uns im nächsten fragen mußten, ob wir überhaupt überleben würden. Doch so ist das Leben auf See nun einmal.
    Während wir arbeiteten, gingen einige Männer mit Rum herum. Der, der mir einen gab, war Caldeira de Rodrigues, und ich beugte mich zu ihm hinab, sah ihm in die Augen und sagte: »Was nun, Herzogssohn? Versucht nicht doch eine gewisse Macht, dich für dein Verbrechen zu bestrafen?«
    »Halte deine Stimme gesenkt.«
    »Ach, du machst dir noch immer Sorgen um deine Haut! Nun, und ich glaube, daß wir kurz über lang alle schwimmen müssen! Beende deine Runde, und dann geh in dich und bitte Jesus um Vergebung.«
    Er bedachte mich mit einem kalten Blick. »Wenn wir dies hinter uns haben, Engländer«, sagte er, »werde ich dir das Leben nehmen.«
    »Ah, fürwahr, ich habe den Sturm gebracht, um dir Unannehmlichkeiten zu bereiten, nicht wahr? Nur zu, Schurke: verärgere mich genug, und ich werfe dich über Bord, und dann, glaube ich, wird der Sturm nachlassen! Doch betrachte die Schäden, die wir wegen dir erlitten haben!«
    Er trat zurück, da er fürchtete, ich könnte meine Worte so meinen, wie ich sie gesagt hatte, was bis zu einem gewissen Grad auch der Wahrheit entsprach. Doch es sollten sich noch schlimmere Schäden einstellen. Denn nun trieben wir hilflos auf See, obwohl wir behelfsmäßige Masten und Segel zusammengeflickt hatten; und wir wurden vorwärts getrieben, und die Nacht kam, und wer weiß, welche Untiefen sich aus der See erheben konnten, um uns zu zerschmettern? Ich ging zu meinen Karten, doch die verrieten mir wenig Neues. Wir waren noch immer viele Meilen auf See, doch dies waren tropische Gewässer, die oftmals flach waren, wo man es am wenigsten erwartete, und die Karten waren ungenau.
    Dunkelheit senkte sich. Der Wind schien sich gelegt zu haben, und das Meer war ein wenig ruhiger. Wir sprachen von den Reparaturen, die wir am Morgen durchfuhren würden, und der Fortsetzung unserer Reise. Einige Männer gingen in ihre Kojen. Ich blieb auf Wache, gemeinsam mit dem Kapitän Faleiro und Pinto Cabral. Dann hob sich der Wind wieder, und das Meer begann zu schäumen, und in der tiefsten Pechgrube der Nacht hörten wir plötzlich das schreckliche Geräusch von Wellen, die sich auf Felsen in der Nähe brachen. Dann lief die Infanta Beatriz, die wir nicht mehr steuern konnten, zur Strafe für unsere Sünden und wegen Gottes ausgewogenen und verborgenen Urteils, auf eine Untiefe.
    »Wir sind verloren!« rief Cabral, und ich dachte schon, er hätte recht damit.
    Als das Schiff auflief, gab es drei fürchterliche Stöße, und sofort wurde der Kiel des Schiffes wegen der äußersten Härte dieser eingetauchten Felsen über das Wasser gehoben. Ich hörte den Klang zerbrechender Balken, ein schreckliches, mahlendes und knirschendes Geräusch, und fühlte, wie sich der Schaum und die Gischt über mich ergossen.
    Das übelste an diesem Schiffbruch war, daß er sich in der Nacht ereignete, in solcher Dunkelheit, daß wir einander kaum sehen konnten. Männer kamen aus den Tiefen der Pinasse gestürmt, schreiend vor Furcht und Verwirrung, da sie im tosenden Meer dem Tod entgegensahen, ohne zu wissen, wo sie sich in Sicherheit bringen konnten. Das Aufbrechen des Schiffes, das Reißen des Holzes, das zu kleinen Splittern zerrissen wurde, das Fallen der Masten und Spiere machte einen so schrecklichen Lärm und Tumult, daß uns beinahe die Köpfe geplatzt wären.
    Dann kam ein weiteres Aufblitzen dieses regenlosen Gewitters, in dem ich einen Augenblick lang unsere Umgebung sehen konnte. Wir waren auf Felsen gestrandet, die sich bei dieser Ebbe teilweise aus dem Meer erhoben. Am Schlamm und Seegras darauf konnte ich erkennen, daß sie innerhalb einiger Stunden wieder völlig eingetaucht sein würden. Bei einem zweiten Aufblitzen von Gottes Pfeil gelang es mir, auf den nächsten dieser Felsen zu springen und mich an ihm festzuhalten; und bei einem dritten schaute ich

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