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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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das Heilige Land vor den Ungläubigen zu erretten. Seine Wangen waren mit zerfurchten Narben bedeckt, sechs auf dieser, sechs auf jener Seite. In der Grimasse des toten Mundes sah ich, daß zwei seiner oberen und zwei seiner unteren Zähne fehlten, was anscheinend zur Zierde geschehen war, da seine anderen Zähne stark und gut waren.
    Wegen seiner Größe und Erscheinung dachte ich, dies könne der gleiche Jaqqafürst sein, den ich auf der Lichtung am Fluß Kwanza gesehen hatte, damals vor dem Massaker am Dorf Muchima. Doch nein, dies war ein anderer Mann, obwohl er dem ersten vom Körperbau her ähnelte. Denn ich erinnerte mich, daß der andere Fürst, der sich nackt und majestätisch auf seinen Schild gestützt hatte, ein Geschlechtsteil von phänomenaler Länge besessen hatte, das wie eine schwarze Schlange halbwegs bis zu den Schenkeln hinabgehangen hatte, und dieser Mann hier war gewöhnlicher gebaut, wenngleich er sich vor keinem anderen hätte schämen müssen. Selbst im Tod umgab ihn eine furchterregende Ausstrahlung, ein geheimnisvolles Leuchten, etwa wie der Schein, den ein Teufel haben mochte, wenn Teufel solch einen Schein haben, wie man es von den Heiligen oft behauptet.
    Ich sah die Verletzungen, die zu seinem Tode geführt hatten. Denn seine Brust war etwas eingedrückt und verschoben, und eine Seite seines Körpers war gequetscht, als hätte ihn ein großes Tier des Dschungels verwundet. Faleiro vermutete, daß dieser Jaqqa von einem Elephanto überrascht worden war, der ihn mit seiner langen Nase gepackt und gedrückt und vielleicht gegen einen Baum geschleudert hatte, und ich glaube, daß er recht damit hatte.
    Der König von Loango gab sein Klagen nun auf und setzte zu einer Rede an, von der ich vielleicht jedes sechste Wort verstehen konnte und bei der er die Worte »Jaqqa« und »Imbe Calandola« immer und immer wiederholte. Faleiro bemühte sich, ihm zu folgen, genau wie Cabral, doch ich erkannte, daß sie kaum etwas verstanden. Doch indem wir drei unter einander berieten, konnten wir auf den Sinn der Ansprache des Königs schließen.
    Der darin lag, daß man davon ausging, wo ein Jaqqa war, würden viele sein, daß dieser Jaqqa aller Wahrscheinlichkeit nach ein Späher war, der erkunden sollte, ob ein Krieg gegen Loango wünschenswert sei; und daß der Tod dieses Mannes, obwohl kein Loango ihn verschuldet hatte, womöglich die Vernichtung der gesamten Stadt nach sich ziehen konnte.
    Faleiro spuckte aus und trat in den Boden. »Wir müssen diesen Ort sofort verlassen«, sagte er zornig.
    »Ohne unsere Fracht?« fragte ich.
    »Wenn es sein muß. Ich werde nicht hier sein, wenn die Jaqqas kommen.«
    »Wir haben den Auftrag«, sagte ich, »mit Elephanto- Zähnen und all den anderen Gütern, die es hier gibt, nach Angola zurückzukehren. Wie können wir fliehen, nachdem wir so lange gewartet haben, und nichts zurückbringen?«
    »Piloto, das ist nicht dein Belang!«
    »Es wäre beschämend, solch eine Feigheit zu zeigen.«
    Faleiros Augen wurden beim zweiten Teil des Satzes hell vor Wut, und er griff zu seinem Schwert. Ich, der ich bis auf ein kleines Messer unbewaffnet war, fühlte, daß gut mein letzter Augenblick gekommen sein könnte. Und verdientermaßen, denn ich hatte töricht gesprochen. Was ging es mich an, ob diese Portugiesen Gewinn machten oder nicht? Ich war nur ihr Gefangener, ihr Diener auf Zeit: welche Schande würde auf mich fallen, wenn sie zu Don João zurückkehren und sagen wollten, die Furcht vor den Jaqqas hätte sie mit leeren Händen vertrieben? Und doch stieß es mir übel auf, so viel Zeit verschwendet zu haben, selbst wenn ich keinen Anteil an dem Gewinn der Reise bekam; und ich glaube auch, auf irgendeine irrwitzige Weise hoffte ich, noch hier zu sein, wenn die Jaqqas kamen, um ungeachtet der Gefahren dieses Volk einmal aus der Nähe zu sehen. Doch Pinto Cabral kam zwischen uns und stiftete Frieden, bevor Faleiro zuschlagen konnte, und ich trat zurück, kam wieder zu Sinnen und sagte leise: »Ich bitte um Verzeihung. Diese Entscheidungen sind nicht von mir zu fällen.«
    »Aye, Piloto. Bleib hier, wenn du willst, und lasse dich von den Jaqqas lebendig kochen. Doch wir werden sofort aufbrechen.«
    Während sich dieser Disput abspielte, hatte der Maloango an seine Untertanen weitergesprochen. Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder ihm zu und fand heraus, daß er Verteidigungspläne ausarbeitete und dem Volk befahl, sich auf einen Einfall der Kannibalen vorzubereiten, und

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