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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Hätte er fünf oder sechs Helfershelfer gehabt, er hätte mich von ihnen festhalten lassen, während er mir den Bauch aufschlitzte. Doch er wollte mir nicht allein gegenübertreten, und das war klug von ihm, aye.
    So hatte ich mir seine doppelte Feindschaft eingehandelt: Zum einen, weil ich bloß ein grobschlächtiger Engländer war, zum anderen, weil ich ihn gezwungen hatte, auf seinen geraubten Schatz zu verzichten. Ich gab nichts darum. Man fährt nicht mit einem Mann zur See, der den Zorn der unsichtbaren Welt auf sich geladen hat. Die Seeleute, die in alten Zeiten den Propheten Jonas an Bord genommen hatten, nachdem Jonas dem Herrn gegenüber ungehorsam gewesen war, hatten sich inmitten eines Unwetters wiedergefunden, das nicht nachließ, bis sie Jonas ins Meer geworfen hatten; und in diesem Augenblick war ich mir sicher, daß Caldeira de Rodrigues’ Grabschändung Unglück über uns alle gebracht hätte. Daher hatte ich es vorgezogen, von diesem minderwertigen und schamlosen jungen Mann gehaßt zu werden, denn sein Zorn machte mir weniger Angst als der der unbekannten Gottheiten dieses Ortes.
    Als wir von Loango aufbrachen, herrschte eine hektische Betriebsamkeit in der Stadt, und kaum einer sah, wie wir losfuhren. Des Königs vier Albino-Ndundus standen auf einem hohen Gestell, um Gebete zu intonieren, und verschiedene Hexenfrauen schickten sich an, den mächtigen Mokissos Opfer zu bringen, genau wie die Kathedralen Europas vor Menschen bersten würden, wenn ein Angriff der Türken angesagt ist.
    Überall waren Freudenfeuer und Räucherwerk und Trommeln und Flöten und Gesänge im Gange, und Soldaten der Loangos schritten mit ernsten Gesichtern auf und ab und übten mit ihren Waffen.
    So verließen wir Loango mit unserer reichen Fracht an Gütern und segelten zurück nach São Paulo de Luanda. Es war eine gute Reise für mich gewesen, die mich umfassend über die Sitten in diesem fremden Land belehrt hatte.
3
    Wir brachen guten Mutes südwärts auf, denn unsere Laderäume waren voll, und unser Gewinn würde groß sein, und es gab niemanden unter uns, der sich nicht danach sehnte, wieder in der Hauptstadt zu sein. Doch obwohl ich selbst mit Tristão Caldeira de Rodrigues zum Friedhof gegangen war, damit er seine Unfrömmigkeit wiedergutmachte, wurde bald ersichtlich, daß wir für sein Verbrechen auf überaus schwere Weise zu bezahlen hatten und unser wendiges kleines Schiff nun in der Tat verflucht war.
    Der Wind war gut, wenngleich manchmal stärker, als uns recht war, und der Himmel war schön, als wir die Küste entlangfuhren. Doch wir befanden uns noch ein gutes Stück nördlich von der Zairemündung, als wir ein Omen sahen, das uns eine schlechte Reise voraussagte, denn eines Tages begegneten wir am Mittag einem Fisch, und niemand wußte, was dies für ein Fisch sein konnte. Er sah aus wie ein Wal von geringer Größe, hatte ein ernstes, böses Antlitz und verschreckte alle anderen Fische, die mit unserem Schiff reisten. Er blieb den ganzen Tag bei uns, und am nächsten Tag war er noch immer da, und er gab es nicht auf, uns zu verfolgen, sondern blieb vor dem Schiff, blies große Wasserfontänen hinauf und starrte uns aus seinen kleinen, bösen Augen an.
    Dann kam ein trockener, scharfer Wind vom Süden, ein sehr harter Wind wie Wasser, das einen Abzugskanal hinabströmt. Dieser Wind machte uns alle sehr ungeduldig miteinander, als hätte er eine morbide Heftigkeit in unseren Adern entfacht. Und dann blitzte es über uns, doch es kam kein Regen, nur eine immer größere Trockenheit.
    Die Portugiesen zeigten sich dadurch allesamt sehr beunruhigt, was auch für mich galt, denn wir hatten nur selten ein Gewitter ohne Regen gesehen, und es war immer ein Bote von nichts Gutem gewesen. Die Luft war nun so heiß und ausgedörrt, daß man glaubte, blaue Funken sprühen zu sehen, wenn man mit den Fingern schnippte, und daß die Kleider Flammen fangen würden, wenn man sich in dem Wind zu schnell umdrehte.
    Faleiro kam zu mir und sagte: »Wir müssen uns darauf vorbereiten, schnell die Segel zu streichen, denn dieser Wind könnte übel werden.«
    »Aye«, sagte ich. »Wenn er nach Westen abdreht, würde ich ihn fürchten, und ich bete, daß er dies nicht tut.«
    Wir waren wachsam; und noch immer kam der Wind aus dem Süden, heißer und härter, und wir standen stockstill in unserem Kielwasser. Wir waren nun hoch auf See, und die Küste war nur noch ein dünner, schmaler Strich.
    An Bord der Infanta Beatriz wurde

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