Herr der Finsternis
führen?«
»Ich werde mein Bestes tun«, sagte ich. »Kommt, wollen wir die Gezeiten nutzen und diesen Ort sofort verlassen.«
Es wurde beschlossen, daß ich in dem Langboot fahren sollte, da ich der Lotse war und nicht verschollen gehen durfte. Faleiro würde ein Floß befehligen, und Pinto Cabral ein zweites, und das dritte, das das größte war, würde von einem Mann namens Duarte Figueira geführt werden, der bei dem Schiffbruch große Geistesgegenwart und Kraft gezeigt hatte.
Die anderen zogen Lose, wer die Sicherheit des Langbootes haben durfte. Neun wurden erwählt, und sie freuten sich sehr mit einer Art irrwitzigen Jubilierens. Auch beluden wir das Boot mit den Dingen, die wir vom Schiff retten konnten, mit Waffen und Tauen und Werkzeugen, jedoch nicht mit zu vielen davon. An Vorräten hatten wir kaum etwas. Die Flut stand nun am höchsten, und die Klippen waren völlig eingetaucht, wodurch die Flöße und das Boot freikamen und wir losfahren konnten, was auch nur gut war, denn in diesem Augenblick erhob sich eine große Welle und zerschlug die gestrandete Infanta Beatriz, so daß die beiden Hälften auseinanderbrachen und schnell versanken und nur ein Teil ihrer Hülle, der auf den Klippen festgerammt war, übrig blieb.
Im letzten Augenblick ereignete sich etwas, das mir später noch große Unannehmlichkeiten bereiten würde. Denn diese Welle trieb Cabrals Floß an die Seite unseres Langbootes, und plötzlich erhob sich Tristão Caldeira de Rodrigues, der einen Platz auf diesem Floß hatte. Mit seinem roten Geburtsmal auf dem Gesicht sah er aus wie von Sinnen, und er rief, er habe nicht vor, auf einem ungeschützten Floß zu sterben, das der Gnade der See ausgeliefert sei.
Ich sah, wie er Anstalten machte, in das Langboot zu springen, das sowieso schon zu schwer beladen war.
»Nay, das dürft Ihr nicht!« rief ich. »Ihr werdet uns ertränken!«
Doch er hatte schon zu dem Sprung angesetzt. Wir konnten ihn nicht mitnehmen, oder wir wären alle verloren gewesen. Obwohl Caldeira de Rodrigues ein Mann von leichtem Körperbau war, trug er einen Sack in den Armen, der zweifellos Dinge enthielt, die er in seiner Gier von dem Schiff gerettet hatte und der, nach seiner Mühe zu urteilen, zweifellos von großem Gewicht war. Sein wahnwitziger Sprung hätte mit Sicherheit für uns alle das Ende bedeutet.
Und so zögerte ich nicht. Das, was ich tat, rührte nicht daher, daß ich ihn nicht mochte: Ich hätte das gleiche getan, wäre es Cabral gewesen oder Faleiro oder irgendein anderer, denn wir konnten uns den Verlust des Langboots nicht leisten. Ich ergriff mein Ruder, und als er durch die Luft sprang, schlug ich ihm damit hart in den Magen und stieß ihn auf das Floß zurück.
Er baumelte einen Augenblick mitten in der Luft wie an einem Seil, was auch das geziemende Schicksal für ihn gewesen wäre. Seine Augen waren rund vor Erstaunen, sein Mund klaffte auf, sein Geburtsmal blitzte wie ein Leuchtfeuer. Dann fiel er und stürzte, noch immer seinen Sack umklammernd, in die Wellen. Das Langboot legte sich im gleichen Augenblick weit auf die Seite und nahm etwas Wasser auf, richtete sich jedoch sofort darauf wieder auf. Ich sah hinab, glaubte, noch etwas von Caldeira de Rodrigues erhascht zu haben, und wartete, daß er an die Oberfläche kam. Doch er kam nicht mehr hoch. Vielleicht hatte mein Hieb ihm die Luft aus den Lungen getrieben und ihn betäubt, doch selbst dann hätte er nach einer Weile hochtreiben müssen. Ich glaube jedoch, daß er seinen Sack mit einem so tödlichen Griff festhielt und nicht loslassen wollte, daß dessen Gewicht ihn hinabzog und ertränkte.
»Wenn wir São Paulo de Luanda je wiedersehen, wirst du dafür zu leiden haben«, sagte ein Mann neben meinem Ellbogen. »Sein Bruder wird bestimmt Rache nehmen.«
»Darum werde ich mich kümmern, wenn die Zeit dazu kommt«, sagte ich mit einem Achselzucken. »Wenn er das Langboot erreicht hätte, wären wir jetzt alle mit ihm im Wasser.«
»Richtig«, sagte ein anderer. »Darin ist Wahrheit.«
Wir warteten noch einen Augenblick ab, doch es war keine Spur von ihm zu sehen. Ich glaubte zu wissen, was in diesem tödlichen Sack war, denn ich argwöhnte, daß er ohne mein Wissen einen Teil seiner gestohlenen Beute vom Friedhof zurückbehalten hatte. Dann wären es die kostbaren Juwelen gewesen, die ihn in den Tod gezerrt hatten. Nun, wenn dies der Fall war, dann war es ein angemessener Tod: Denn ich glaube, es war der Fluch über den
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