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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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kleines Königreich, warteten auf die Nacht, schliefen schlecht und warteten auf den Morgen. Und als der Morgen kam, enthüllte er ein monströses Bild. Denn obwohl es uns nicht möglich gewesen war, das Land über den Treibsand zu erreichen, war es anderem Volk sehr wohl möglich gewesen, den anderen Weg zu nehmen, zumindest den zu jener Stelle, wo Figueira und seine sieben oder acht Gefährten waren. Ich schaute müßig aufs Meer hinaus und träumte, ein Schiff zu sehen, das zu unserer Rettung käme, als Cabral sehr fest meinen Arm ergriff und rief: »Sieh! Dort drüben!«
    »Jesus behüte uns«, sagte ich.
    Denn eine dämonische Gruppe dunkler, nackter Gestalten umzingelte nun unsere Gefährten auf der anderen Landzunge. Wie Nachtschwärmer aus der Hölle waren einige Dutzend langbeiniger, geschmeidiger Männer gekommen, die in einem schrecklichen Tanz sprangen und hüpften, mit augenscheinlicher Freude mit Armen und Beinen zuckten und unsere Gefährten immer enger einkreisten.
    »Mutter Gottes!« sagte Faleiro mit einer Stimme, die von einem zu kommen schien, der geköpft werden sollte.
    »Das sind Jaqqas!«
    Und das waren sie, und nun entfaltete sich ein wahrer Alptraum vor unseren Augen, und wir konnten nicht daraus erwachen und mußten jeden grausamen, abscheulichen Augenblick miterleben.
    Wie die Menschenfresser auf die Landzunge hinausgekommen waren, weiß nur Gott allein. Vielleicht kannten sie irgendeinen Weg durch die Treibsandgruben, oder vielleicht waren sie schwimmend oder mit Booten von der anderen Seite gekommen: Da ich es niemals erfahren habe, kann ich es Euch auch nicht sagen. Doch sie waren da, und als unsere unglücklichen Schiffsgefährten niederknieten und überaus fieberhaft beteten, fielen die Kannibalen über sie her und schnitten einem nach dem anderen die Kehle durch.
    Wir konnten nichts tun. Unsere einzigen Waffen waren Messer und Schwerter, und die waren auf solch eine Entfernung nutzlos.
    »Beim Blut der Heiligen!« rief einer der grauhaarigen alten Portugiesen unserer Mannschaft, »wir müssen sie retten!« Und er stampfte ins Wasser, in jeder Hand eine Klinge; doch er war kaum ein Dutzend Ellen weit gekommen, als er bis zu den Knien einsackte und wohl oder übel ans Ufer zurückkehren mußte. Worauf die Jaqqas von ihrem Geschlächter aufsahen, uns mit Gesten verspotteten, lachten und laut riefen, als wollten sie sagen: »Wartet nur, bis ihr an der Reihe seid, und wir werden kommen und uns euch zuwenden!«
    Und so sahen wir zu. Und fluchten und tobten und schüttelten die Fäuste und waren völlig hilflos.
    Unsere Freunde wurden alle erschlagen. Figueira selbst war der letzte, ein großer und edel aussehender Mann mit silbernem Haar, der den Himmel anrief, ihn zu rächen, und dann fuhren die langen Messer in seinen Körper. Und nach diesem Gemetzel kam noch Schlimmeres, das Ausweiden und Kochen. Es war ein fürchterlicher Anblick, viel schrecklicher als jenes andere Kannibalenfest, das ich vor langer Zeit in Brasilien gesehen hatte, denn dies waren Männer, die ich mit Namen kannte, die gerade ein schreckliches Unglück auf See überlebt und als nächstes solch ein Schicksal einfach nicht verdient hatten.
    Aus Treibholz und altem, getrocknetem Seegras machten die Jaqqas ein Feuer, schnitten etwa drei oder fünf unserer Männer in mehrere Teile, brieten sie vor unseren Augen, setzten sich fröhlich mit übereinandergeschlagenen Beinen auf den Boden und kauten an den Lenden.
    Ich war dankbar, daß uns einige hundert Ellen offenen Wassers von ihnen trennten, nicht so sehr, weil es uns Sicherheit gegeben hätte, sondern vielmehr, damit wir dieses schreckliche Festmahl nicht aus näherer Reichweite beobachten mußten. Denn es war auch schon auf diese Entfernung schlimm genug.
    Es ging weiter und weiter, das Braten und Essen. Und ich glaube, am schlimmsten von allem war, daß in unserem aus gehungerten Zustand der Geruch des bratenden Fleisches trotz unseres Schreckens ein Hungergefühl in uns erzeugte, daß Speichelströme in unseren Mündern flossen und unsere Mägen sich zusammenzogen und schmerzten. Und welche Ungeheuerlichkeit war dies, beim Geruch von bratendem Menschenfleisch solch einen Hunger zu verspüren? Doch wir waren so ausgehungert, daß wir uns nicht einreden konnten, es sei unheilig, sich nach Stücken dieses Fleisches zu sehnen: Es hätte genausogut bloß Schwein sein können, denn unsere ungeübten Nasen konnten keinen Unterschied ausmachen.
    Ich weiß nicht, wie viele

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