Herr der Finsternis
Stunden das abscheuliche Festmahl währte. Doch schließlich war es vorbei, und die Jaqqas erhoben sich, warfen sich die Leichen der Männer, die sie nicht verzehrt hatten, über die Schultern, stahlen sich auf ihre geheimnisvolle Art über eine kleine Erhebung in der Sandgrube davon und verschwanden auf der anderen Seite.
»Sie werden uns als nächste holen«, sagte Faleiro düster.
»Ich glaube, sie sind für den Augenblick gesättigt«, sagte ich.
»Du suchst immer nach der helleren Seite, was, Piloto?« sagte er. Und fürwahr, so war es, denn welchen Wert hat es, immer das Dunkelste anzunehmen? Wir stellten Wachen auf, und die gesamte Zeit über, die wir an diesem Ort verbrachten, achteten wir Tag und Nacht auf die Jaqqas. Doch sie kamen nicht, entweder weil sie unser Ufer nicht so leicht wie das andere erreichen konnten, oder weil sie ihren Hunger gestillt hatten und nun nach einem anderen fernen Ziel aufbrachen, um dort das nächste ihrer üblen Feste abzuhalten.
Und doch fiel es uns schwer genug, hier zu verweilen, wo die Erinnerung an das, was wir beobachtet hatten, so frisch in uns war. Tausend Mal wünschte ich, ich hätte den Blick abgewandt und die Augen geschlossen, doch ich konnte es nicht; niemand von uns konnte es; wir hatten jeden schrecklichen Augenblick davon verfolgt, und dieses Bild blieb nun, und auf lange Zeit, in meiner Seele.
Nach ein paar Tagen jedoch stellte sich in uns der Eindruck ein, daß unsere gefallenen Gefährten die glücklicheren waren. Denn es gab an diesem Ort nichts zu essen, und wenn wir nicht das Glück gehabt hätten, eine Süßwasserquelle zu finden, hätten wir einen noch fürchterlicheren Tod als sie erlitten. Auch mit dieser Quelle mußten wir harte Entbehrungen überstehen, und Cabrals Scherz erfüllte sich schließlich, als wir an Knochen nagen und Schlangenhautfetzen kratzen und Wurzeln saugen mußten. Ich dachte oft an die Not, die ich gekannt hatte, seit ich England verlassen hatte, und nichts schien schlimmer als dies, obwohl ich mich darin vielleicht irrte. Doch die Not des Augenblicks scheint oft viel größer als die, die zurückliegt. Ich lag da und sah oft auf die See hinaus, träumte von der Heimat und manchmal von Anne Katherine und manchmal von Doña Teresa, deren Amulett ich aus meiner Tasche holte und lange betrachtete. Doch dessen Anblick, die Brüste, die Spalte des Geschlechts und die glatten, üppigen Hinterbacken, brachten quälende Begierde in mir empor, die ich nicht stillen konnte, und ich bedauerte es, das Amulett hervorgeholt zu haben.
Nun, und diese böse Zeit fand ein Ende, wie alle bösen Zeiten in meinem Leben früher oder später ein Ende gefunden haben. Ein Schiff aus São Tomé, das mit Waren südlich nach São Paulo de Luanda fuhr, hatte unseren Kurs eingeschlagen und sah die Trümmer der Infanta Beatriz auf den Klippen; und da der Kapitän annahm, daß es Überlebende gegeben hatte, näherte er sich dem Ufer, wo die Hand Gottes ihn zu uns führte.
So wurden wir gerettet und bekamen Nahrung und Kleidung und einen Platz zum Schlafen, und allmählich erholten wir uns wieder. Als wir uns São Paulo de Luanda näherten, fühlte ich mich beinahe wieder wie ich selbst. Doch in meinem Geist waren nun für immer gewisse Bilder und Erinnerungen, die ich gerne ausgekratzt hätte. Ich sah, und sehe immer noch, wie Tristão Caldeira de Rodrigues mitten in der Luft hing, nachdem ich ihn mit meinem Ruder geschlagen hatte; und ich sah die dunklen Zähne der Klippen im Lichtschein des Blitzes und unsere kleine Pinasse, die darauf gestrandet lag; und ich sah, was am bittersten und schmerzhaftesten war, wie die dämonischen Jaqqas um unsere Gefährten tanzten, sie erschlugen und mit größtem Appetit über ihr Fleisch herfielen. Ach, dachte ich, was für eine Welt ist dies, auf der solche Wölfe in menschlicher Verkleidung wüten!
So war ich am Ende dieser Reise, die so gut angefangen hatte, in einer recht niedergeschlagenen Stimmung. Doch es ist nicht meine Natur, töricht über dunkle Dinge zu grübeln, und als ich in São Paulo de Luanda an Land ging, war ich sehr froh, noch am Leben zu sein.
Ich fand heraus, daß sich während meiner Abwesenheit in dieser Stadt vieles geändert hatte.
Der neue Gouverneur, Don Francisco d’Almeida, hatte damit angefangen, ihr seinen Stempel aufzudrücken. Die Hänge des Hügels, die zu der hochgelegenen Festung hinaufführten, wimmelten vor neuen Gebäuden. Tausende Schwarze plackten sich unter der
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