Herr Der Fliegen
Vorhaben machten es, daß ihm die Nacht so unwirklich vorkam wie ein böser Traum.
Unter dem letzten Hang kamen Jack und Roger näher, aus Tintenflecken wurden erkennbare Gestalten. In stillem Einverständnis hielten sie an und kauerten sich zusammen. Hinter ihnen am Horizont war ein Fleck helleren Himmels, wo gleich der Mond aufgehen würde. ein Windstoß brauste durch den Wald und schlug ihnen die Kleiderfetzen um den Leib.
Ralph machte eine Bewegung.
»Auf, los!«
Sie krochen weiter, Roger ein wenig hinterdrein. Jack und Ralph sahen zu gleicher Zeit über die Gipfelkante. Die schimmernde Weite der Lagune lag unter ihnen und dahinter eine längliche weiße Stelle, das war das Riff. Roger stieß zu ihnen.
Jack flüsterte.
»Am besten, wir kriechen auf Händen und Füßen. Vielleicht schläft’s gerade.«
Roger und Ralph krochen weiter. Diesmal blieb Jack ein wenig zurück, trotz seiner mutigen Worte. Sie gelangten auf den flachen Gipfel, und ihre Hände und Knie glitten über harten, rauhen Fels.
Etwas das sich aufblies.
Ralphs Hand fuhr in die kalte, weiche Asche des Feuers, und er erstickte einen Schrei. Hand und Schultern zuckten von der unvermuteten Berührung. Grüne Lichter der Übelkeit flimmerten ihm vor den Augen und fraßen sich ins Dunkel. Roger lag hinter ihm, und Jack sprach dicht an seinem Ohr.
»Da drüben, wo immer der Spalt im Felsen war. So wie’n Buckel, siehst du’s?«
Asche von dem toten Feuer wehte Ralph ins Gesicht. er konnte weder den Spalt noch sonst etwas erkennen, denn die grünen Lichter tanzten wieder stärker, und der Berggipfel begann sich zu drehen.
Noch einmal hörte er Jack aus der Ferne flüstern.
»Angst?«
Es war weniger Angst als eine Art Lähmung, und ihm schien, als sei er regungslos oben auf einem spitzen, schwankenden Berg festgebannt. Jack glitt von ihm fort, Roger stieß ihn an und tastete sich keuchend weiter. er hörte sie flüstern.
»Siehst du was?«
»Da –«
Vor ihnen, nur drei, vier Meter vor ihnen, war ein felsförmiger Buckel, wo kein Fels hätte sein sollen. Ralph hörte es von irgendwoher leise wispern – vielleicht kam es aus seinem eigenen Mund. er gab sich innerlich einen Ruck, verschmolz Angst und ekel zu Haß und stand auf. er tat zwei bleierne Schritte vorwärts.
Hinter ihnen war der Mondsplitter ganz über den Horizont gerückt. Vor ihnen saß etwas, das wie ein großer Affe aussah, und schlief mit dem Kopf zwischen den Knien. Dann brauste der Wind im Wald, es lärmte im Dunkel, und das Untier hob den Kopf und streckte ihnen ein zerstörtes Gesicht entgegen.
Ralph kam erst wieder zu sich, als er in großen Sätzen über den Aschenboden stürzte; er hörte andere Wesen aufschreien und umherspringen und wagte sich halsbrecherisch den Steilhang hinunter; und dann war der Berg leer, nur drei Stöcke blieben zurück und die Gestalt, die sich bewegte.
Achtes Kapitel
DER HERR DER FLIEGEN
Piggy schaute mutlos vom dämmerbleichen Strand auf zum dunklen Berg. »Habt ihr euch auch nicht getäuscht? Habt ihr euch nicht geirrt?«
»Ich hab dir’s doch jetzt zigmal erzählt«, sagte Ralph, »wir haben’s gesehn.«
»Und meinst du, hier unten kann uns nichts passieren?«
»Mensch, wie soll ich das wissen!«
Ralph ließ ihn stehen und ging ein paar Schritte den Strand entlang. Jack kniete und malte mit dem Zeigefinger Kreise in den Sand. Piggy’s Stimme klang gedämpft. »Habt ihr euch auch wirklich nicht getäuscht? Wirklich nicht?«
»Geh doch hin und guck«, sagte Jack verächtlich, »dann sind wir dich wenigstens los.«
»Keine Angst.«
»Das Tier hat Zähne gehabt«, sagte Ralph, »und große, schwarze Augen.« es schüttelte ihn heftig. Piggy setzte die Brille ab und putzte das eine Runde Glas.
»Und was machen wir jetzt?«
Ralph wandte sich der Plattform zu. Das Muschelhorn schimmerte zwischen den Bäumen als weißer Klecks vor der Stelle, an der die Sonne emportauchen würde. er strich seinen Haarwust zurück.
»Was weiß ich.«
Er dachte an die panische Flucht über den Steilhang.
»Also ehrlich gesagt, an so was Großes trauen wir uns ja doch nicht ran. Wir reden immer nur, aber keiner würde auf einen Tiger losgehen. Verstecken würden wir uns. Sogar Jack würde sich verstecken.«
Jack sah noch immer vor sich in den Sand.
»Und meine Jäger?«
Simon trat leise aus dem Schatten bei den Hütten heraus. Ralph überhörte Jacks Frage. er deutete auf den gelben Fleck über der See.
»Solang’s hell ist, haben wir
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