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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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Ministern, Polizisten und Soldaten im Stadion. Der Chef der Geheimpolizei erwachte aus seiner Erstarrung und flüsterte dem Herrscher ins Ohr, dass dies der Anfang eines Staatsstreichs sein könne. Und nur Sekunden später befand sich der Herrscher auf dem Weg ins State House.

7
    Die Medien erwähnten das Inferno im Stadion mit keinem Wort. Die Schlagzeilen der folgenden Tage drehten sich nur um das besondere Geburtstagsgeschenk und das bevorstehende Eintreffen der Global-Bank-Delegation. MARCHING TO HEAVEN INS ALL titelte die Eldares Times. Darunter war zu lesen: „Amerika, pass auf! Wir werden nicht zulassen, dass ihr den Weltraum monopolisiert. Wir sind euch auf den Fersen. Kann sein, dass wir in Wissenschaft und Technologie ein paar Jahre zurückliegen. Doch wir werden den Wettlauf trotzdem gewinnen – wie die Schildkröte im Märchen, die den Hasen besiegt.“
    Hätte man es nur den Medien überlassen, wäre die Geschichte mit den Schlangen ein Gerücht geblieben. Was dem Gerücht in der Folgezeit jedoch Leben einhauchte, waren ironischerweise die seltsamen Dinge, die vom State House nach außen drangen.

8
    Der Herrscher verlor einige Tage lang kein Wort über die Geschehnisse. Diejenigen, die von sich behaupteten, Bescheid zu wissen, erklärten, dass er wütend war und dass sich ein Großteil seines Zorns gegen Sikiokuu richtete. Sikiokuus Forderung nach einem persönlichen Raumschiff und einem Himmelstrabanten verfolgte ihn. Der Herrscher war von Sikiokuus Vorschlag derart fasziniert, dass er trotz seines Zorns nach einem Video über die Erforschung des Planeten Mars verlangte. Doch als er die Größe der Raumfahrzeuge, vor allem des ersten, der „Sojournertruth“, sah – sie kamen ihm erbärmlicher als das Spielzeug kleiner Jungen vor – brodelte es in ihm, und er redete unentwegt vor sich hin: „Dieser Sikiokuu sollte sich schämen – wie kann er, mein Staatsminister, es wagen vorzuschlagen, meine Allmächtigkeit mit so einem winzigen Ding in Verbindung zu bringen?“ Seine Erregung überschritt alle Grenzen, als er später noch herausfand, dass Sojourner eine Sklavin gewesen war, eine Frau, und außerdem Freiheitskämpferin, eine Terroristin, wie er sie nannte.
    Einige Tage lang weigerte sich der Herrscher, Sikiokuu zu empfangen. Dieser wiederum bekam es derart mit der Angst zu tun, dass er Schritte einleitete, die nahende Katastrophe abzuwenden. Als Erstes schickte er nachts seine Hauptfrau zum Herrscher, damit sie ein gutes Wort für ihn einlegte. Der Herrscher ignorierte sie. Daraufhin schickte Sikiokuu seine Zweitfrau. Der Herrscher ignorierte sie. Sikiokuu schickte seine weit jüngere Drittfrau. Auch diese ignorierte der Herrscher. Schließlich schickte er ihm seine beiden Töchter. Erst da ließ sich der Herrscher erweichen und erlaubte Sikiokuu, wieder vor ihm zu erscheinen, allerdings nur, um seine Wut auf den unglücklichen Minister abladen zu können.
    Es war nicht so, dass der Herrscher allein wegen der Größe des Sternenkreuzers auf Sikiokuu wütend war oder weil eines der Raumschiffe den Namen einer Sklavenfrau trug. Die Störung der Geburtstagskundgebung und die Erinnerung daran, wie die Menschenmassen das Weite gesucht und ihn mit seinem Gefolge zurückgelassen hatten, brachten ihn innerlich zum Kochen. Welche Botschaft hatte das der Welt übermittelt? Wo war der M5 geblieben? Der Nachrichtendienst unterstand Sikiokuu; daher der Zorn des Herrschers auf ihn. Wieso hatte dieser nichts über die Schlangenleute in Erfahrung gebracht?, fragte er Sikiokuu.
    Um ihre Haut zu retten, erklärten Sikiokuu und der Chef des M5, dass die Schlangenleute Mitglieder einer Untergrundpartei seien, der Bewegung für die Stimme des Volkes. Die Geheimdienstagenten seien die ganze Zeit im Bilde gewesen, hätten ihr Wissen aber für sich behalten, um Zeit zu gewinnen, die Gerüchte von der Wahrheit zu trennen und zum Kern der gesamten Bewegung vorzustoßen. Es sei keine gute Idee, erläuterten sie, der Bewegung unnötig Öffentlichkeit zu verschaffen, bevor man das ganze Ausmaß ihrer perfiden Machenschaften kenne. Man schlage schließlich nicht zu, bevor die Schlange nicht vollständig aus ihrem Loch gekrochen sei.
    Das machte den Herrscher nur noch wütender. „Und da habt ihr der Schlange Zeit gegeben, vollständig aus ihrem Loch zu kommen? Wer wagt zu behaupten, ich sei nicht fähig, eine Schlange zur Strecke zu bringen, die sich noch nicht in voller Länge zeigt? Wer will behaupten, dass ich nicht

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