Herr der Krähen
Augen“, sagte Maritha.
„Es war keine Bosheit in seiner Stimme“, fügte Mariko hinzu.
„Und auf das, was er uns gesagt hat, hätten wir selber kommen sollen“, meinte Maritha.
„Ja, er sprach die Wahrheit“, sagte Mariko. „Unsere Ahnen haben immer gesagt, den eigenen Hinterkopf kann man nicht sehen.“
Die Gerüchte besagen, als sie zu Hause ankamen, hielten sie sich nicht lange mit Vorgeplänkel auf, so neugierig waren sie auf die Narben, die sie vielleicht auf ihren Körpern entdeckten. Sie schlossen die Tür und gingen in ihr Schlafzimmer. Behutsam und zärtlich machten sie sich auf eine Suche, die anhaltendes Seufzen und Stöhnen hervorbrachte, und es schien wie ein Wunder, dass ihren Körpern auch in ihrem Alter so starke Flügel der Leidenschaft wuchsen und sie fast schwerelos machten.
Von jenem Tag an gingen Maritha und Mariko überall Hand in Hand, ihre Augen leuchteten, ihre Körper verströmten Jugend und ihr fester Schritt brachte Passanten dazu, plötzlich verwundert stehen zu bleiben.
4
Als angekündigt wurde, Maritha und Mariko würden an einem bestimmten Sonntag neue Offenbarungen über ihren Krieg mit dem Satan preisgeben, fanden sowohl die regelmäßigen als auch die gelegentlichen Kirchgänger ihren Weg in die All Saints Cathedral. Auch die Soldaten Christi waren unter ihnen, die Kerzen noch immer entflammt, und Bischof Kanogori musste die Sekte bitten, draußen auf dem Kirchhof zu bleiben, um nach Satan Ausschau zu halten, der es hasste, bloßgestellt zu werden. Vielleicht würde er auftauchen, um die Veranstaltung zu stören, erklärte er ihnen, um die offensichtliche Enttäuschung auf ihren Gesichtern zu mildern.
Die Kirche quoll von Neugierigen über. Was würde ihr jüngster Kampf mit Satan enthalten? Würden Maritha und Mariko endlich die Identität der Leute preisgeben, die von Satan benutzt wurden, um sich über ihr Fleisch herzumachen?
Diejenigen, die die beiden in letzter Zeit in ihrer neuen Gestalt gesehen hatten, schlossen sich der Gemeinde in der Hoffnung an, das Geheimnis ihrer wiederentdeckten Jugend zu erfahren.
Es stellte sich aber heraus, dass Mariko und Maritha keine erschreckenden oder skandalösen Neuigkeiten zu bieten hatten. Ihre Körper verlangten nicht mehr nach anderen. Sie waren eins mit sich und gesegnet von Gott, obwohl noch unlängst von Satan bedroht. Das Leben war Hoffnung, und sie waren allen christlichen Mitbrüdern und -schwestern dankbar, die ihnen durch das Gebet und ihre Anwesenheit bei den Sonntagsbeichten geholfen hatten, diese Hoffnung am Leben zu erhalten – nicht zu vergessen die Soldaten Christi, die Nacht für Nacht gewacht hatten, damit das Licht die Finsternis Satans überwinden konnte.
Ihr wart ein Teil unseres Schmerzes, nun habt Anteil an unserem Sieg:
Ich schlag den Satan nieder
Ich schlag den Satan nieder
Und werde ihm sagen
Heb dich hinweg, Satan
Ich meide die Dämonen
Maritha und Mariko sangen und tanzten mit solch fröhlicher Ausgelassenheit, dass sie die ganze Gemeinde mit ihrer Energie ansteckten. Selbst diejenigen, die sich zunächst um eine pikantere Zuspitzung betrogen fühlten, fielen ein.
Ich werde fliegen über die Erde
Ich werde schweben durch den Himmel
Denn ich schaue die Wunder Gottes
Wie nie zuvor auf Erden gesehen
Am meisten aber profitierte die Sekte der Soldaten Christi von dem Schauspiel des Sieges. Ihr Ruhm begann sich über die Grenzen von Eldares hinweg zu verbreiten. Ihre Wachsamkeit hatte Satan aus Santalucia vertrieben, und Marithas und Marikos Geschichte vom Sieg über Satan war sowohl Zeugnis als auch Beweis für die frühesten Behauptungen dieser Sekte, Satan auf den Straßen von Eldares einmal von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden zu haben, genauer gesagt, von Angesicht zu Rückansicht. Satan war aus Santalucia vertrieben worden, und falls er daran dachte zurückzukehren, sollte er wissen, dass die Soldaten Christi mit brennenden Fackeln Wache hielten.
Feger-der-Seelen, einer der drei Müllmänner, denen sich Satan einst gezeigt hatte, stieg in der Sekte der Mutigen jetzt um einige Ränge höher.
5
Da sie keinen Makel an ihren gottgegebenen Körpern gefunden und ihre Narben sich in Sterne verwandelt hatten, kehrten Maritha und Mariko nicht zu einer Heilsitzung in den Schrein des Herrn der Krähen zurück. Auch fanden sie es nicht nötig, den Herrn der Krähen zum Christentum zu bekehren. Ihr Erlebnis hatte sie gelehrt, dass es auf dieser Erde Dinge gab, die sich dem
Weitere Kostenlose Bücher