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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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hatte, und obwohl er nun einen richtigen Schritt tat, indem er ihn wohlwollend empfing, dachte Kaniũrũ daran, ihn die alten Verletzungen büßen zu lassen. Mit dem Wort „Partnerschaft“ hatte Wangahũ ihm eine Steilvorlage gegeben. Er räusperte sich, um würdevolle Haltung bemüht, denn trotz seiner neuen Position und seines Mercedes fühlte er sich vom Auftreten des Mannes leicht eingeschüchtert.
    „Eigentlich gehört das zu den Anliegen, die mich hierhergeführt haben. Wie es im Sprichwort heißt: Der erste Vogel fängt den Wurm“, setzte Kaniũrũ an und flocht weitere Sprichwörter ein, weil sie seinen Aussagen, wie er annahm, mehr Tiefgang verliehen. „Aber du hast mir bereits die Worte aus dem Mund genommen, und dafür danke ich dir. Wir sollten unsere Partnerschaft hier und heute beginnen. Wenn du das Gefühl hast, mir als Zeichen des guten Willens ein oder zwei deiner Grundstücke in der Stadt überschreiben zu müssen, dann werde ich mich nicht verweigern. Wir könnten auch vereinbaren, dass du mir einige Anteile an deinem Holzunternehmen überlässt. Natürlich ebenfalls als Zeichen des guten Willens. Wenn du mich fragst, so sind ein, zwei Grundstücke oder ein paar Anteile gar nichts im Vergleich zu dem, was durch Marching to Heaven in deine Taschen fließen wird.“
    „Mein Sohn“, beeilte sich Wangahũ zu sagen, weil ihn die Richtung, die ihre Unterhaltung nahm, beunruhigte. „Hurry and Hurryit broke up the house of Harry and Harriet, wie es bei den Engländern heißt. Man sollte Entscheidungen nicht überstürzen. Wir werden über alles reden und Details verhandeln, sobald die Global Bank das Geld freigegeben hat. Übrigens, wann wird eigentlich der Herrscher im Land zurückerwartet?“, wollte Wangahũ wissen und lenkte die Unterhaltung weg von Grundstücken und Anteilen.
    Kaniũrũ war über das englische Sprichwort alles andere als erfreut. Er hatte es nie zuvor gehört und nicht bemerkt, dass Wangahũ es sich gerade ausgedacht hatte. Für ihn klang es wie eine verhüllte Anspielung auf das Scheitern seiner Ehe mit Nyawĩra.
    „Nun“, sagte Kaniũrũ leicht enttäuscht, „wie du willst, denn wie es im Sprichwort heißt: Derjenige der bedürftig ist, ist auch derjenige, der die Bedürfnisse entfacht. Aber denk dran: Sei nicht so langsam wie die Schildkröte in der Fabel!“
    Wangahũ hatte das Bedürfnis, Kaniũrũ daran zu erinnern, dass es die langsame Schildkröte war, die den Wettlauf gewann, nicht der überhastete Hase, hielt sich aber zurück. Ich hätte ihn sagen lassen sollen, was ihn zu mir geführt hat, bevor ich meine Karten auf den Tisch lege, warf Wangahũ sich im Stillen vor. Ihm war natürlich nicht entgangen, dass Kaniũrũ der Frage nach der Rückkehr des Herrschers aus Amerika ausgewichen war.
    „Ich sage nicht, wir sollten im Tempo einer Schildkröte voranschreiten“, erklärte Wangahũ. „Aber wir sollten nach dem suchen, was die Engländer als ‚via media‘ bezeichnen.“
    „Ehrlich gesagt, das ist nicht Englisch, sondern Latein“, korrigierte ihn Kaniũrũ.
    „Was auch immer, du bist der Lehrer.“
    „Ex-Lehrer.“
    „Egal, du bist der Gebildete, und wenn du sagst, es ist Latein, dann ist es Latein. Wenn meine Nyawĩra zu Hause geblieben wäre, dann hätte sie mir dieses Latein übersetzen können.“
    „Das ist die andere Sache, wegen der ich hergekommen bin“, sagte Kaniũrũ. „Also, zu Nyawĩra …“
    „Was? Hat man sie endlich gefunden? Verhaftet? Was konnte eine so pflichtbewusste Tochter derart auf Abwege bringen?“, fragte Wangahũ mit Hoffnung und Verzweiflung in der Stimme.
    „Nein, sie ist immer noch auf freiem Fuß. Wusstest du, dass Nyawĩra zu dieser verbotenen Untergrundorganisation gehört?“
    „Wieso fragst du mich das? Woher soll ich das wissen? Wir wissen nur, was in den Zeitungen steht oder über das Radio kommt“, antwortete Wangahũ, den diese Wendung in der Unterredung erneut beunruhigte.
    „Besucht dich Nyawĩra nicht?“, fragte Kaniũrũ.
    In diesem Moment kam Roithi mit einem vollen Tablett herein.
    „Sagt, hat man sie gefunden? Ist sie am Leben?“, fragte sie besorgt und stellte die Teller auf den Tisch.
    „Könntest du meinem Fahrer etwas Tee und ein Stück Brot bringen?“, sagte Kaniũrũ ihre Frage ignorierend.
    „Der ist schon versorgt. Wir haben ihm Tee, Brot und ein Stück Huhn gebracht.“
    „Dann kannst du dich setzen“, sagte Wangahũ zu Roithi und deutete auf einen Stuhl. „Heutzutage gibt es keine

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