Herr der Krähen
Trennung mehr zwischen Dingen, die Männern vorbehalten sind, und denen, die nur Frauen etwas angehen. Auch die Frauen zählen zu den Ältesten. Unser Sohn hier hat Worte, die er mit uns teilen will, und du sollst sie selbst aus seinem Mund vernehmen.“
„Man hat Nyawĩra noch nicht gefunden“, sagte Kaniũrũ.
„Wer oder was hat unsere Tochter so in die Irre geführt?“, fragte Roithi mit Tränen in den Augen. „Und das bei ihrer Bildung und ihrem Bücherwissen.“
„Ein Sprichwort sagt, aus ein und demselben Schoß können ein Dieb und ein Zauberer kommen“, erwiderte Kaniũrũ in dem Versuch, tiefsinnig zu erscheinen.
„Was hat sie dir denn gestohlen?“, fragte Roithi scharf. „Und welchen Zauber hat sie an dir ausgeübt?“
„Hört mir erst mal zu“, sagte Kaniũrũ und zupfte das letzte Fetzchen Fleisch von einem Hühnerbein. „Ich bin hier, um euch zu sagen, dass die Regierung fest entschlossen ist, Nyawĩra zu kriegen, tot oder lebendig. Ich will euch helfen, aber ihr müsst auch mir helfen, euch zu helfen. Ihr solltet mir sagen, ob Nyawĩra ab und zu hier anruft. Hat sie das in letzter Zeit getan? Habt ihr irgendeine Vorstellung, wo sie sich verstecken könnte? Ich trage ihr nichts mehr nach. Ich habe immer gesagt, sie wird meine Frau bleiben, egal was sie anstellt.“
„Du weißt genau, dass ich Nyawĩra vor langer Zeit enterbt habe, als sie beschlossen hat, sich mir zu widersetzen und …“ Wangahũ war kurz davor fortzufahren, Nyawĩra hätte sich ihm widersetzt und einen Bettler geheiratet, aber dieser Bettler habe sich inzwischen in den Mann verwandelt, der nun vor ihm sitze und die Klinge des Todes und die Saat großen Reichtums mit sich führe. Aber er besann sich und sagte: „… sich weigerte zu warten, bis ich sie dir in einer ordentlichen kirchlichen Trauung an die Hand geben würde.“
Doch die Selbstkorrektur kam zu spät. Kaniũrũ hatte mitbekommen, was dem alten Mann auf der Zunge lag, und fühlte die erlittene Demütigung wieder in sich aufsteigen.
„Vater von Nyawĩra“, sagte Kaniũrũ, der einige Mühe hatte, seine Wut und seinen Schmerz zu verbergen, „lass uns nicht umeinander herumschleichen wie zwei Bullen im selben Kral. Immer auf den Punkt, ist mein Motto. Nyawĩra steckt in Schwierigkeiten. Ich bin der Einzige, der ihr helfen kann. Du steckst in noch größeren Schwierigkeiten. Dein ganzer Reichtum ist in Gefahr. Nur du kannst entscheiden, wie du damit umgehen willst. Es gibt zwei Auswege. Übertrage mir Anteile an deinem Unternehmen. Über die Miteigentümerschaft wird mein Name deinen Besitz und deinen Reichtum schützen. Oder bring mir Nyawĩra. Ich verspreche dir, ich werde alles mir Mögliche versuchen, um sicherzustellen, dass ihr kein Leid geschieht. Sie wohnt noch immer in meinem Herzen, und ich hoffe, dass sie und ich eines Tages bei einer ordentlichen Trauung den Mittelgang der Kirche heraufkommen und vor dir und Gott gesegnet werden.“
„Junger Mann, hast du keine Ohren?“, fiel Roithi ein, die ihre Wut und Verachtung kaum mehr zurückhalten konnte. „Hast du nicht gehört, dass Nyawĩra sich hier nicht gemeldet hat?“, fügte sie scharf hinzu.
Wie die Mutter, so die Tochter, dachte Kaniũrũ, den Roithi mit ihrer spitzen Zunge an Nyawĩra erinnerte. Bei ihren harten Worten wurde ihm unbehaglich und er bekam ein wenig Angst vor ihr.
Wangahũ dagegen blieb still, sehr still. Kaniũrũs Drohung, sein Reichtum sei in Gefahr, hatte dem alten Mann sichtlich zugesetzt. Aber ein weiteres Mal riss er sich zusammen; dieser Halunke sollte nicht die Oberhand gewinnen. Die Vorstellung, sich mit Kaniũrũ einzulassen, um seinen Besitz zu schützen, machte ihn krank. Dieser Gauner war schon immer hinter meinem Eigentum her, dachte er bei sich, aber eher gebe ich Nyawĩra auf als diesem schamlosen jungen Kerl auch nur einen einzigen Anteil.
„Was sagst du dazu?“, fragte Kaniũrũ und wandte sich dem scheinbar weniger einschüchternden Wangahũ zu.
„Was die Angelegenheit von Besitz und Partnerschaft betrifft“, erwiderte Wangahũ, der sich nur mit Mühe beherrschte, „habe ich dir klar und deutlich gesagt, dass wir abwarten werden, was die Global Bank macht. Und was Nyawĩra angeht, hat die Mutter meiner Kinder für uns beide gesprochen. Aber solltest nicht du als derjenige, der nah an den Stimmen des Staates ist, uns einen Rat geben, wie wir der Regierung zeigen können, dass wir die subversiven Taten unserer Tochter nicht
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