Herr der Krähen
ausgestreckte Hand.
„Wissen Sie, wer ich bin?“, fragte Tajirika zornig, der seinen Vorsatz, auf Knien um Gnade zu betteln, völlig vergessen hatte.
„Natürlich, Mr. Tajirika. Als ob es in Aburĩria jemanden gäbe, der Sie nicht kennt!“, sagte Njoya sanft und bestimmt und machte Tajirika mit seiner scheinbaren Gleichgültigkeit gegenüber der Ungeheuerlichkeit, die man dem Vorsitzenden von Marching to Heaven angetan hatte, noch wütender. Gleichzeitig war er geschmeichelt zu hören, dass man ihn im ganzen Land kannte.
„Warum hat man mich verhaftet?“, sagte Tajirika fordernd.
„Verhaftet?“, fragte Njoya bestürzt. „I am sorry, but there must be a misunderstanding“, fügte er hinzu.
„Da gibt es kein misunderstanding. Sie haben mich in Golden Heights verhaftet, in meinem Haus, vor den Augen meiner Frau und der Dienstboten.“
„Wann genau war das?“
„Wollen Sie mir weismachen, Sie wüssten nichts davon?“
„Ich habe erst gestern erfahren, dass Sie sich hier aufhalten. Also nahm ich an, dass Sie gestern hier eingetroffen sind.“
„Gestern? Vor Monaten! Nicht vor Tagen! Und ich bin nicht ‚hier eingetroffen‘. Man hat mich wie ein Stück Holz oder einen Steinblock auf die Ladefläche eines Land Rovers geworfen und mich in dieses Höllenloch verfrachtet.“
„Das tut mir sehr leid, Mr. Tajirika“, meinte Njoya daraufhin. Und tatsächlich sprach er in scheinbar aufrichtigem Ton, mit der angemessenen Mischung aus Furcht, Demut und Respekt jemandem gegenüber, der Tajirikas gesellschaftliche Stellung innehatte. „Mr. Tajirika, ich werde das auf jeden Fall überprüfen. Sie als Unternehmer wissen ja, wie Befehlsempfänger sind. Man sagt ihnen, sie sollen einen Gegenstand holen, und sie kommen mit zehn zurück. In der Tat, wenn Ihre Frau nicht gewesen wäre …“
„Was ist mit meiner Frau?“, herrschte Tajirika ihn an.
„Nun, ich glaube, sie hat gestern Abend angerufen und die Polizei alarmiert, dass Sie verschwunden sind. Und sie fragte, ob Sie vielleicht hier auf der Wache sind.“
„Sie meinen, sie hat die ganze Zeit verstreichen lassen, ohne die Polizei zu alarmieren? Und wenn meine Entführer Gewaltverbrecher gewesen wären? Dann wäre ich längst Futter für die Würmer.“
„Machen Sie bitte Ihrer Frau keine Vorwürfe. Vielleicht wusste sie nicht, wo und wie sie nach Ihnen suchen sollte. Sie wissen ja, wie das mit den Frauen vom Lande ist …“
„Meine Frau ist nicht vom Lande. Sie ist ziemlich gebildet. Sie hat einen Schulabschluss.“
„Verzeihung. Das tut mir leid. Wie dem auch sei, Ihre Frau hat genau das Richtige getan, indem sie die Behörden von der Situation in Kenntnis setzte, und deswegen besuche ich Sie auch selbst, anstatt einen Untergebenen zu schicken. Ach, übrigens, was Ihre Frau angeht, rufen Sie sie doch bitte an und sagen Sie ihr, dass Sie bei der Regierung sind und sie sich keine unnötigen Sorgen machen soll.“
Wie ein Zauberkünstler holte der Polizist ein Mobiltelefon aus der Jacke und reichte es Tajirika. Als er das Gerät in der Hand hielt, hatte Tajirika das Gefühl, als würde ihm ein Stück seines früheren Lebens zurückgegeben. Selbstbewusst tippte er die Ziffern ein und lehnte sich zurück, als wäre er in seinem Büro. Superintendent Njoya schlich auf Zehenspitzen hinaus, als respektierte er Tajirikas Privatsphäre. Tajirika sprach am Telefon nicht viel, er war wütend auf Vinjinia, weil sie so lange gebraucht hatte, um sich an die Behörden zu wenden. Er teilte ihr lediglich mit – fast als würde er damit prahlen –, dass er sich in den Händen der Regierung befinde, sie sich um ihn keine Sorgen machen solle und ihre Aufgabe nur darin bestehe, sich um Haus und Unternehmen zu kümmern. Er beendete das Gespräch, ohne sich nach ihr oder den Kindern zu erkundigen und ohne ihr Gelegenheit zu geben, ihm zu antworten. Nun kam auch Njoya wieder ins Zimmer, gefolgt von einer weiteren Person, die einen Servierwagen schob, auf dem sich ein Teller mit Hühnchen und Reis befand.
Tajirika aß mit großer Gier. Es war das erste ordentliche Essen seit vielen Tagen. Das Aroma eines guten Kaffees steigerte seinen Genuss und er rülpste zufrieden. Dieser Njoya war vielleicht doch kein so schlechter Kerl und könnte sich möglicherweise noch als Freund jener Polizisten herausstellen, die Tajirika jedes Jahr auf der Wache von Santamaria mit Weihnachtsgeschenken bedachte. Oder vielleicht sogar als Freund eines Freundes seines guten Freundes
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