Herr der Krähen
Dinge, die Sie später bereuen werden. Warten wir lieber auf die Rückkehr des Herrschers und auf diesen arroganten Staatsfeind Machokali. Zum Glück müssen wir nicht mehr lange warten …“
„Wann kommen sie zurück?“
„Demnächst. Ich warte auf Nachricht aus Amerika. Darum bin ich schon so früh im Büro. Ich habe gerade meinen Computer eingeschaltet, als Sie anriefen. Oh, ja, da ist etwas … warten Sie einen Moment … Was? Was soll das heißen?“
Das waren die letzten Worte, die Tajirika hörte. Er hielt weiter den Hörer ans Ohr und rief mehrmals „Hallo? Hallo?“ und fragte sich, wer die Verbindung unterbrochen hatte. Oder hatte der Minister beschlossen, ihre Unterredung so plötzlich zu beenden? Er hängte auf und wählte neu, wieder und wieder, aber es war besetzt. Tajirika wusste nicht, was tun.
Er beschloss, auf einen Kaffee ins Mars Café zu gehen, um sich zu beruhigen und wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Vor dem Eingang kaufte er sich die Eldares Times, setzte sich in einen Winkel, bestellte Kaffee, Eier mit Speck und warf einen Blick in die Zeitung. Verbitterung ließ die Titelseite vor seinen Augen verschwimmen. Wie konnte Sikiokuu es wagen, unsere Unterhaltung zu beenden, bevor ich ihm alles gesagt hatte? Wie konnte er es wagen, mich so grob abzuhängen, ohne sich meine Qualen anzuhören? Die Demütigung war so überwältigend, dass ihm schwindlig wurde und ihm Tränen in die Augen schossen.
Bin ich so tief gesunken? Wie konnte es so weit kommen, dass mir ein anderer Mann vorschreibt, was ich in meinen vier Wänden tun darf und was nicht? Dass ich einen anderen Mann anflehe, mir zu erlauben, meine Frau zu disziplinieren? Er musste es ja nicht mit ihrer Verbindung zu diesen Tänzerinnen begründen, wenn dadurch tatsächlich Ermittlungen zur Sicherheit des Staates beeinträchtigt würden, aber sie zu verprügeln, das war sein Vorrecht als Ehemann, und er war nicht bereit, dieses Recht einem anderen Bullen im Kral zu überlassen. Warum hatte er nicht vorher so argumentiert?
Er wartete nicht länger auf sein Frühstück. Wie ein Wahnsinniger raste er nach Hause zurück. Als er das Haus betrat, hatte er bereits die Fäuste geballt.
Man erzählt sich, dass alle Frauen in ganz Aburĩria, Nyawĩra eingeschlossen, Vinjinias Schreie hören konnten.
2
Bevor sie ihn in das Flugzeug nach Amerika setzten, brachten Kahiga und Njoya den Herrn der Krähen noch einmal zum Schrein zurück, damit er die Kleider wechseln und sich von seiner Gefährtin verabschieden konnte. Sie gaben sich Mühe, ihr einzuschärfen, sein bevorstehender Besuch in Amerika sei auch der Grund für ihr erstes Erscheinen gewesen, doch durften sie es nicht verraten, weil sie zur Geheimhaltung verpflichtet gewesen waren. Er würde in New York gebraucht, sagten sie ihr, um seine Magie einzusetzen, die aburĩrischen Verhandlungsführer zu stärken und gleichzeitig die Herzen der Global-Bank-Direktoren zu erweichen, damit sie die Gelder für Marching to Heaven freigaben. Nyawĩra ließ sich durch ihre übertriebenen Auslassungen nicht blenden und bekam richtig Angst um Kamĩtĩ. Es waren viele Geschichten von Menschen im Umlauf, die am helllichten Tag von der Polizei entführt, gefoltert und schließlich in der Wildnis den Hyänen zum Fraß vorgeworfen wurden. Auch beruhigte es sie kaum, als Kahiga und Njoya später anriefen, um ihr mitzuteilen, dass alles gut gegangen sei. Sie erinnerte sie daran, sie zur Verantwortung zu ziehen, wenn dem Herrn der Krähen etwas zustoßen sollte.
Einige Tage später tauchten Kahiga und Njoya im Schrein auf und präsentierten ihr eine kleine Schmuckschatulle. Als sie diese öffnete, standen sie mit breitem, selbstzufriedenem Lächeln vor ihr. Nyawĩra brach vor Schreck fast zusammen, bewahrte aber Haltung.
„Warum bringt ihr mir Haare in einer Schachtel?“, fragte sie und fürchtete das Schlimmste.
„Sie gehören dem Herrn der Krähen“, erklärte Kahiga.
Plötzlich fiel Nyawĩra ihre Drohung wieder ein und beinahe hätte sie losgelacht, auch wenn dies kein Grund zum Lachen war. Warum brachten sie ihr die Haare ausgerechnet jetzt, in einer Schatulle? Was verbarg sich dahinter? War es ein zwangloser Scherz? Oder war Kamĩtĩ doch tot?
Erst nach Kamĩtĩs Anruf, er sei sicher in New York gelandet, fühlte sie sich wieder besser. Er hörte sich gehetzt an, versprach aber, wieder anzurufen. Doch als sie längere Zeit nichts von ihm hörte, begann sie sich zu sorgen. Die erzwungene Trennung
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