Herr der Krähen
Welt.
„Wir wollten Sie abfangen, bevor Sie hineingehen“, sagte Maritha hastig.
„Ja, nach dem Gottesdienst ist es schwierig, an Sie heranzukommen. Es sind immer eine Menge Leute um Sie herum“, fügte Mariko hinzu.
„Und ihr wichtigen Leute seid immer so beschäftigt“, sagte Maritha, „dass …“
„… Sie nach dem Gottesdienst einfach wegfahren könnten“, ergänzte Mariko.
„Geht es um etwas, das bis nach dem Gottesdienst warten kann?“, fragte Vinjinia ungeduldig, da sie vor Beginn des Gottesdienstes in der Kirche sein wollte. Vinjinia gehörte zu denen, die nicht mehr folgen konnten, wenn sie zu spät zum Gottesdienst oder zu einer Vorstellung kamen.
„Es geht nur um eine Nachricht“, sagte Maritha.
„Aber die kann auch bis nach dem Gottesdienst warten“, ergänzte Mariko.
„Von wem kommt die Nachricht?“, fragte sie neugierig.
„Von einer Taube“, antworteten Maritha und Mariko gleichzeitig.
„Von einer Taube?“, fragte Vinjinia nach und runzelte die Stirn.
Doch statt die Frage zu beantworten, begannen Maritha und Mariko zu singen und zu tanzen wie zwei Kinder auf einem Fest.
Taube gab mir einen Auftrag, mmhh
Braucht nen größeren Schnabel, mmhh
Damit sie Körner schlucken kann, mmhh
Denn wenn sie das jetzt versucht, mmhh
Bleiben sie stecken im Hals, mmhh
Maritha und Mariko waren in der Kirchengemeinde bekannt für ihre komische Art, Dinge auszudrücken. Jetzt aber waren sie zu weit gegangen. Sprangen herum, und das nur wenige Meter vom Eingang der Kirche entfernt? In ihrer Verlegenheit und aus Angst vor dem Missfallen möglicher Zuschauer blickte sich Vinjinia schnell um.
„Verschieben wir das besser auf nach dem Gottesdienst“, sagte sie hastig. „Wir treffen uns da drüben, wo ich mein Auto geparkt habe“, fügte sie hinzu und zeigte auf ihren Mercedes am Straßenrand. „Wenn ihr vor mir dort seid, dann wartet bitte auf mich“, sagte sie noch, bevor sie in die Kirche eilte.
18
Während des Gottesdienstes fiel Vinjinia plötzlich ein, wer die Taube war, und sie begann so heftig zu zittern, dass sie Bischof Kanogori am Altar kaum noch folgen konnte. Danke, Herr, danke, Jesus, hörte sie sich in stillem Gebet sagen. Nyawĩra lebte! Ihr Schuldgefühl ließ nach und sie realisierte, sich selbst etwas vorgemacht zu haben, als sie glaubte, alle Gedanken an Nyawĩra erfolgreich unterdrücken zu können. Aber wo war sie? Und wie kam es, dass Maritha, Mariko und Nyawĩra sich so gut kannten, dass sie ihnen eine Botschaft für Vinjinia anvertraute?
Sie dachte an die vielen Gerüchte, die durch den erklärten Sieg des Paares über Satan hervorgerufen wurden. Einige Lästerer hatten behauptet, Maritha und Mariko hätten den Schrein des Herrn der Krähen aufgesucht und dort einen magischen Trank erhalten, der ihre Liebe in einem Maße neu entfachte, das dem ihrer Jugend gleichkam. Vinjinias Erleichterung und Neugier wichen schnell der Angst. Wie lautete die Botschaft der Taube? Was wollte Nyawĩra von ihr?
Wollte sie sich stellen? Die kürzlich ernannte Nationalhostess – wie hieß sie gleich? Yunique Immaculate McKenzie – hatte sie früher nicht auch zu den Verfechtern einer falschen Politik gehört? Nachdem sie sich gestellt hatte, war ihr vom Herrscher verziehen und sogar Arbeit gegeben worden. Vielleicht hatte Nyawĩra von der Ernennung McKenzies gelesen und war geläutert und bereit, sich dem Herrscher zu Füßen zu werfen? Vielleicht wünscht sie, dass ich sie zu ihm bringe?
Doch was wären die Folgen, wenn man sie mit Nyawĩra in Verbindung brachte? Durfte sie, die Frau des Gouverneurs der Central Bank, Kontakt zu einer Staatsfeindin haben? Sie könnte nach dem Gottesdienst einfach die übliche Ansammlung von falschen Freunden und Hilfesuchenden meiden, direkt zu ihrem Auto gehen und wegfahren. Das wäre die deutliche Botschaft an Nyawĩra, ihre Beziehung nicht erneuern zu wollen. Trotzdem sollte sie sich die Nachricht erst einmal anhören, bevor sie sich für eine Reaktion entschied. Schließlich konnte sie sich hinsichtlich der Identität und der Absicht der Taube auch irren.
Sobald die Messe vorbei war, ging Vinjinia hinaus und eilte zu ihrem Wagen. Maritha und Mariko warteten bereits auf sie. Sie bat sie einzusteigen, fuhr eine kurze Strecke und hielt an. Vorsicht war von größter Wichtigkeit. Maritha kam sofort zur Sache. Sie sei geschickt worden, um Vinjinia folgende Geschichte zu erzählen.
Es habe einmal jemanden gegeben, der Taube ein Nest baute
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