Herr der Krähen
so, dass, wenn der Herrscher spreche, die Nation spreche, und wenn er niese, die Nation niese. Weil das Land und sein Kopf ein und dasselbe seien, folge daraus, dass sein Geburtstag der Geburtstag der Nation sei und der Tag, an dem er gebar, der Tag sei, an dem die ganze Nation niedergekommen sei. „Wollt ihr ein Bild des Babys sehen?“
Auf dieses Stichwort kam Kaniũrũ auf Krücken in den Saal gehumpelt, gefolgt von vier Trägern mit einer riesigen Tafel, die in ein weißes Tuch gehüllt war, und ließ sie vor dem Herrscher absetzen.
„Und nun“, sagte der Herrscher, „bitte ich die offizielle Nationalhostess vorzutreten und zu enthüllen, was ich zur Welt gebracht habe.“ Dr. Yunique Immaculate McKenzie trat nach vorn, zog feierlich das Tuch herab und legte ein Bild des Herrschers frei, der ein Baby im Arm hielt, das entfernt an Aburĩria erinnerte. Darunter befand sich eine Inschrift in Großbuchstaben und den aburĩrischen Nationalfarben: BABY D. „Schaut, das Baby Demokratie!“, rief er.
Anschließend verkündete der Herrscher würdevoll den Beginn der Mehrparteiendemokratie in Aburĩria, und alle waren geschockt. Er fügte aber hinzu, dass das neue aburĩrische System nur deutlich mache, was es latent in allen modernen Demokratien gebe, in denen die Parteien im Wesentlichen nur Variationen voneinander seien. Er werde nomineller Vorsitzender aller politischen Parteien sein. Das bedeute, dass bei den nächsten Wahlen alle Parteien natürlich ihn als ihren Kandidaten für das Präsidentenamt aufstellen würden. Sein Sieg sei dann der Sieg aller Parteien und, was für die Aburĩrier noch wichtiger sei, der Sieg weiser und erprobter Führerschaft.
Zum Zeichen der neuen Zeiten verfüge er, dass die Ruler’s Party von nun an einfach Ruling Party genannt werde.
„Und sollten unsere lieben Freunde sich sorgen, dass wir mit unseren liberalen Maßnahmen zu weit gehen“, sagte er und warf einen Blick zur Reihe der westlichen Botschafter hinüber, wolle er betonen, dass, welche Partei aus den Hunderten Parteien unter seiner Führung auch an die Macht gelange, Aburĩria der westlichen Allianz Freund und vertrauenswürdiger Partner bleiben werde. „Ich habe mit Ihnen im Kampf gegen den Weltkommunismus Hand in Hand gearbeitet“, sprach er, „und jetzt werden wir Schulter an Schulter beim Aufbau des neuen weltumspannenden Systems der geführten Freiheit und Offenheit stehen.“ Deshalb werde sein neues System die geheime Urnenwahl abschaffen und das Schlangenwahlsystem einführen, bei dem man sich offen hinter dem Kandidaten seiner Wahl versammle. „Direkte Demokratie. Offene Demokratie. Baby D ist geboren.“
Zum ersten Mal spendeten ihm alle Gesandten warmen Applaus. Das spornte ihn an.
„Wenn es bis hierher jemanden auf der Publikumstribüne gibt, der eine Frage stellen oder eine Bemerkung machen will, so möge er sich melden.“
Das hatte es in der kurzen Geschichte des aburĩrischen Parlaments noch nie gegeben: Der Tribüne wurde gestattet, sich einzumischen. Die meisten nahmen das als rhetorische Geste, und nur ein verhutzelter alter Mann stand auf und sprach mit dünner, zittriger Stimme, die aber laut genug war, dass alle ihn hören konnten.
„Vielen Dank, mein Herr der Unendlichen Gnade und Güte. Ich sage Danke, weil ich vor langer Zeit schon einmal zu Ihnen sprechen wollte und der Minister, der die Zeremonie leitete, der Polizei befahl, mir das Mikrofon wegzunehmen und mich von der Bühne zu entfernen. Ich ging und schrie, damit Sie mich hörten. Sie hörten meinen Schrei. Ich weiß es, weil Sie den Minister entfernt haben. Dafür danke ich Ihnen, Mkundu Wangu Mpya Rahisi , weil Sie meinen Schrei gehört haben und mir nun Gelegenheit geben, mein Ansehen, das vom verblichenen Machokali entehrt wurde, wiederherzustellen. Und ich sage mit Ihnen: Nieder mit den Staatsgeheimnissen.“
Die Formulierung „Mein Neues Billiges Arschloch“ erinnerte A.G. plötzlich daran, dass derselbe alte Mann auf der Veranstaltung zu reden versucht hatte, auf der der Plan für Marching to Heaven erstmals öffentlich vorgestellt worden war. Wie würde der Herrscher reagieren? In diesem Moment flüsterte die offizielle Nationalhostess, Dr. McKenzie, dem Herrscher etwas ins Ohr, der daraufhin die Sicherheitsleute bat, den alten Mann ins State House zu bringen, wo sie sich später in entspannter Atmosphäre zu einem Gedankenaustausch treffen würden. Der Herrscher war ein Genie der Doppelzüngigkeit, dachte A.G. ,
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