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Herr der Moore

Herr der Moore

Titel: Herr der Moore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kealan Patrick Burke
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vor dem schwachen Licht als bloßer Schattenriss abzuzeichnen.
    »Sie sind so eilig aufgebrochen.« Natürlich war es Stephen. »Dabei fing unser Gespräch gerade an, interessant zu werden.«
    Seine Worte zerfetzten den einstweiligen Gedächtnisverlust, in den der Alkohol Campbell gestürzt hatte. Schlagartig entsann er sich Sarahs Verärgerung und sah das blasierte Grinsen dieses Mannes wieder, ehe die Bauern aufgestanden waren und ihn wortlos bedroht hatten. Neue Wut stieg in ihm hoch, doch er hielt sie im Zaum, denn er hatte es weder mit einem überschwänglichen Jungspund noch mit Kindsköpfen zu tun, die schrill gackernd vor einer Konfrontation davonlaufen würden, sondern mit einem Erwachsenen. Stephen war größer als Campbell und brandgefährlich. Rache, so entschied er, würde er später üben, und falls überhaupt, dann erst nach gründlicher Vorbereitung. Bis auf Weiteres tat er gut daran, dem Fremden auf Augenhöhe zu begegnen und ihm zu vermitteln, er habe ihn unglücklicherweise kennengelernt, als es ihm richtig übel ging.
    »Ich war sturzbetrunken«, gestand er mit gelöster Stimme.
    »Richtig, doch das zeigte mir, dass Sie zu dem Schlag gehören, der nur Mut aufbringt und die Wahrheit spricht, wenn er genug gesoffen hat, um sich keine Sorgen um die Konsequenzen zu machen.«
    Campbell schlotterte so vehement, dass er die Arme um seinen Oberkörper schlang, aber so bekam er die Kälte seiner triefenden Kleider umso deutlicher zu spüren. »Da liegen Sie völlig falsch«, behauptete er. »Ich habe in letzter Zeit nur zu viel um die Ohren. Leider vermindert dies, wie ich zugeben muss, meine Toleranz für Zweideutigkeiten beträchtlich.«
    »Ich habe mich aber sehr klar ausgedrückt, Doktor Campbell.«
    Der Arzt legte die Stirn in Falten, während der Mann kurz hinter einer Dunstwolke verschwand. Dann tauchte er wieder auf.
    »Es hatte einen anderen Grund. Weshalb mussten Sie mich angreifen? Ich habe Ihnen nichts getan.«
    »Ach nein?«
    »Nein, verdammt. Absolut nichts.«
    »Gehen Sie in sich, Doktor. Denken Sie scharf nach.«
    »Worüber denn? Ich sagte Ihnen bereits, ich weiß nicht, wovon zum Henker Sie sprechen.«
    »Wann hat es zuletzt im Dorf gebrannt?«
    Campbell entsann sich, und sein Magen verkrampfte sich vor Entsetzen. »Mich trifft keine Schuld.« Fragen schwirrten in seinem Kopf herum. War jemand drinnen gewesen, als das Haus in Flammen gestanden hatte? »Sie sollten andere zur Rede stellen, nicht mich.«
    »Oh, Sie haben etwas weit Schlimmeres verbrochen, oder etwa nicht?«
    »Ich begreife nicht.«
    »Natürlich tun Sie das. Denken Sie nach, Sie Trottel. An jenem Tag ist Ihretwegen jemand ums Leben gekommen.«
    Ein Gesicht huschte an dem geistigen Auge des Arztes vorbei, und endlich setzten sich die Räder seiner Erinnerung in Bewegung. Jetzt wusste er, wovon Stephen sprach. Was aber hatte er mit ihr zu tun? »Ich konnte nichts dafür.«
    »Blut ist Blut, Doktor.«
    Campbell wich zurück. »Nein, ich habe versucht, sie zu retten. Da Sie schon eine Menge wissen, müsste Ihnen auch dies klar sein.«
    »Mir ist nur klar, dass Ihre Unfähigkeit sie getötet hat … wie schätzungsweise auch viele andere. Ich kenne die Sucht, die Ihre Nerven schwächt; ich weiß genau, dass ein lauterer Mensch ihr Leben bewahrt hätte.«
    Campbells Kopf wackelte hin und her. Es kam ihm unwirklich vor, konnte einfach nicht passieren. »Wer sind Sie?«, fragte er schließlich.
    »Ich bin der Herr dieser Sümpfe.«
    »Aber die alten Grundbesitzer sind schon eine Weile tot.«
    »Sie sollten umdenken.«
    Auf einmal war er wie vom Moor verschluckt, als habe jemand ein weißes Laken über ihn geworfen. Campbell schnappte aufgeregt nach Luft – das einzige Geräusch weit und breit. »Wieso tun Sie das?«, fragte er in das Gewölk. »Ich habe Ihnen doch wirklich nichts getan!«
    Lauf, wenn dir dein Seelenheil lieb ist, drängte er sich selbst, und kurz darauf führten seine Beine den Befehl aus. Er floh weder sicheren Schrittes noch außerordentlich schnell, stellte sich ungeschickt an und setzte sich damit keiner geringen Gefahr aus. Indem er die Arme von sich streckte, wollte er Hindernisse meiden. Seine Füße rutschten übers Gras, der Gestank von nassem Fell und Moder wurde stärker, trieb ihn an. Er betete darum, dem Dorftor nahe zu sein, wollte es mit schierer Gedankenkraft im diesigen Nichts vor sich auftauchen lassen.
    Wie Rauch brannte der Nebel in seinen Augen und strömte an ihm vorbei, als er eher

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