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Herr der Moore

Herr der Moore

Titel: Herr der Moore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kealan Patrick Burke
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die Antwort – eine Gegenfrage – war ihnen beiden so klar wie der schönste Frühlingstag: Was sollte werden, falls Kugeln sie nicht aufhielten? Der alte Mann erinnerte sich an die schlüpfrigen, Schlangen nicht unähnlichen, Bewegungen der Tiere, als sie sich im Schutze der Nacht zum Dorf gewagt hatten, und kam zu dem Schluss, dass sich etwas derart Unnatürliches kaum von Menschenhand umbringen lassen würde.
    Die Kinder.
    Der Gedanke an die beiden oben im Bürgerhaus brachte ihn wieder zur Besinnung. Er stand so ruckartig auf, dass er mit den Knien an die Tischkante stieß. Er verkniff sich, aufzuschreien und das Gesicht zu verziehen, als er Fowler, der sitzen geblieben war, die Hand anbot. »Ich teile Ihre Einschätzung nicht hundertprozentig, verstehe aber, weshalb Sie Ihre Zelte abbrechen. Ich spiele immer wieder selbst mit dem Gedanken, während mein Herz an alledem hier hängt. Ich muss bleiben … der Kinder wegen und für Master Mansfield. In all den Jahren, die ich in seinem Dienst stand, hat er mich immer großzügig behandelt, also werde ich ihn jetzt nicht verlassen.« Als er sich an die Mütze fassen wollte, fiel ihm ein, dass sie nicht mehr da war, nachdem der Wind sie fortgeweht hatte. Wahrscheinlich würde er sie nie wiederfinden, und das, so beschloss er, war ihm nur allzu recht. Falls er nichts weiter als diesen lausigen Stofffetzen im Moor verlor, konnte er von Glück reden.
    »Es hat mich gefreut, Sie als Freund um mich zu wissen. Ich hoffe, Sie finden Ihren ersehnten Frieden in London«, fügte er an, als Fowler seine Hand schüttelte.
    »Möchten Sie nicht ein letztes Mal mit mir anstoßen?«
    »Würde ich liebend gern, und wenn Sie uns einmal besuchen, komme ich gern darauf zurück, doch jetzt muss ich wieder zum Bürgerhaus.«
    »Sie und ich, wir sind als Einzige übrig. Ich mache mich davon, und falls Sie einen Funken Verstand im Leib haben, tun Sie es mir gleich.« Fowler wandte den Blick ab, als sei er sicher, Grady stemple ihn als Feigling ab, weil er Reißaus nahm. Und wenn Grady ehrlich zu sich war, musste er zugeben, dass er tatsächlich so dachte. Andererseits vollzog er nach, dass Angst einen Menschen zu allem befähigte, also handelte Fowler schlichtweg instinktiv, um zu überleben. Er fühlte sich bedroht, also lief er fort. Jemand anders mochte ausharren und kämpfen; jeder trifft unterschiedliche Entscheidungen für sein Leben.
    Zu welcher Sorte Mensch gehöre ich?, fragte sich Grady und stellte betrübt fest, dass er es nicht wusste.

    ***

    Tabitha befand sich in einer Zwickmühle. Wie sie sich auch entschied, sollten die nächsten Sekunden Schmerzen nach sich ziehen. Durchkreuzte sie Donalds Plan, indem sie Neil warnte, musste sie mit Bestrafung rechnen; verhielt sie sich ruhig, würde sie sich auf ewig vorwerfen, den unschuldigen Jungen in eine Falle gelockt zu haben. Dass Donald vorerst nichts sagte, verstörte sie ebenfalls. Er stand bloß mit eingefrorenem Lächeln im Gesicht da und holte mit bebender Brust Luft, als platze er gleich vor Aufregung. Den Blick, den er aufgesetzt hatte, kannte sie; am liebsten hätte sie sich irgendwo verkrochen. Zweifel daran, dass ihr Bruder Neil wehtun wollte, bestanden nun nicht mehr, und mit dieser Gewissheit machte sie einen Satz und packte Neils Handgelenk.
    »Du hast versprochen, mit mir zu tanzen«, proklamierte sie kühn, indem sie versuchte, sich kein Zaudern anmerken zu lassen. »Wir können es genauso gut direkt erledigen als später, oder was denkst du?«
    Neil fuhr mit der Zunge über seine Lippen. »Lass mich los.«
    »Ach, zier dich nicht so«, sagte Kate und stieß ihn in den Rücken.
    Tabitha schaute Donald nicht an, denn sie wusste Bescheid. Sie glaubte bereits zu spüren, wie sein Zorn den Raum zwischen ihnen beiden erhitzte, doch zum Glück machte er keine Anstalten, sie aufzuhalten, was sie zumindest ein wenig erleichterte. Was immer er vorhatte, würde er auch umsetzen, egal wie sehr sie sich darum bemühte, das Unvermeidliche hinauszuzögern. Ihre Brust verengte sich vor Gram und Selbstverachtung, weil sie nicht tapfer genug war, um Donalds Machenschaften zu entsagen.
    Kate lächelte, als sie Neil fortführte. »Tanz nicht zu lange mit ihm«, spöttelte sie. »Er ist zwar nicht mein Traumbegleiter, doch ich hätte ihn gern zurück, solange er noch bei Kräften ist.«
    Tabitha reagierte mit bemüht hochgezogenen Mundwinkeln und verschwand schnell, auch weil sie immer noch damit rechnete, die Hand ihres Bruders lege

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