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Herr der Moore

Herr der Moore

Titel: Herr der Moore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kealan Patrick Burke
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wütend, weil es gegen seinen Willen handeln musste, wo es wohl bloß danach trachtete, sein Opfer niederzustrecken.
    »So ists brav«, murmelte sie. Nicht mehr viel fehlte, und sie trat über die Schwelle. »Ja … schön vorsichtig …«
    Sie warf einen Blick nach rechts, um die Entfernung abzuschätzen, die sie zurücklegen musste; zu spät stellte sie fest, dass ihr Feind genau darauf spekuliert hatte. Er sprang auf sie zu, obwohl die Zargen der Gabel nur wenige Zoll vor seiner Kehle ausgerichtet waren, und berührte sie dabei nicht einmal mit dem Bauch. Röhrend stieg es in die Höhe und glotzte dabei, als seien seine Augen Monde. Mrs. Fletcher geriet in Panik und wollte sich entziehen, wobei sie fest genug gegen eine Wand stieß, um die Arbeitsgeräte gegenüber zum Wackeln zu bringen. Ihre Beine rutschten weg, sie fiel ungünstig und verlor die Gabel.
    »Nein«, schrie sie und sah zu, wie die unbeschreiblich weißen Augen auf sie herabstürzten. Ohne nachzudenken, wälzte sie sich herum, und das Vieh landete in der Hocke, wo sie Sekunden zuvor noch gelegen hatte. Es schnappte noch nach ihr; die Zunge im weit aufgerissenen Mund sah aus wie ein Lindwurm, den man aus seiner Höhle gelockt hatte. Mrs. Fletcher krabbelte rückwärts, was ihre Gelenke mit feurigem Schmerz quittierten. Sie wimmerte und patschte mit beiden Händen auf der Erde nach der Mistgabel.
    Das Wesen setzte zum erneuten Sprung an, und aus dieser Nähe bestand keine Hoffnung mehr für sie, auszuweichen.
    Oh Gott, nein!
    Sie fühlte ein Rundholz, das immer noch warm von ihren Fingern war, und griff zu.
    Das weiße Feuer schnurrte zusammen, als das Untier die Ohren anlegte und mit einem Schrei abhob.
    Schon hielt Mrs. Fletcher die Gabel senkrecht und stemmte die Stange gegen die Erde. Ihre Hände waren derart verschwitzt, dass sie Angst hatte, die Waffe entgleite ihr ein weiteres Mal. Bitte, bitte, Gott …
    In der Luft konnte das Wesen schwerlich etwas an seinem Fall ändern, was es jedoch nicht vom Zappeln abhielt. Wie eine Katze über dem Feuer wand es sich, aber zu spät: Mrs. Fletcher riss sich zusammen und die Augen weit auf. Ihr Herz raste, als das Geschöpf auf die Zargen stürzte. Unter der Wucht neigte sich die Mistgabel über ihren Kopf hinweg nach hinten und fiel ihr tatsächlich aus den Händen. Sie kreischte, duckte sich und schlug die Arme über sich zusammen, weil sie sicher war, es werde sie unter sich begraben, aber es klatschte neben dem Tor auf den Boden, schlug und trat um sich. Mrs. Fletcher wich aus und drehte sich um; gleich stand sie wieder auf den Beinen. Entsetzt sah sie aber, dass die Gabel die Kreatur zwar erwischt hatte, doch durch ihr Gezappel im letzten Augenblick waren nur zwei der vier Zargen durchs Fleisch gedrungen, und zwar nur zwischen den Rippen statt am Bauch. Entsetzt realisierte Mrs. Fletcher, dass es die Gabel abschüttelte. Sobald es sich befreit hatte, würde es vermutlich mit einem Jähzorn zurückschlagen, dem sie nicht gewachsen war.
    Also rannte sie los. Es hangelte mit seiner Pranke in die Toröffnung, und sie stöhnte kurz auf. Dann aber gelangte sie vorbei und befand sich einmal mehr im kalten Regen, schlug die Flügel eilig zu und fummelte an dem Riegel, während das Ding kraftlos von innen drückte. Als das Schloss endlich einrastete, sackte Mrs. Fletcher erleichtert am Boden zusammen, war sich jedoch bewusst, dass das Holz, hinter dem die Kreatur festsaß, alt war und nicht lange halten würde.
    Schnell stand sie auf und stolperte eher, als dass sie lief, zurück zum Haus.

    ***

    Der Wind ließ das Wasser waagerecht über die Scheiben laufen. Tabitha lauschte dem animalischen Geheul des Sturms und schauderte, obwohl es warm in ihrem Zimmer war. Ansonsten herrschte Stille im Haus. Wie sie so auf der Seite im Bett lag, dachte sie an Neil, der irgendwo dort draußen war, vermutlich in den Händen eines Wahnsinnigen, der ihn misshandelte. Kalte Schuldgefühle verursachten ihr Magenkrämpfe. Sie sah ein, dass sie eine weit gewichtigere Rolle in diesem Trauerspiel eingenommen hatte, als sie bis jetzt zu glauben geneigt war. Donald hätte Neil wohl selbst irgendeine Falle stellen können, doch diese wäre zweifellos eher primitiver Natur und deshalb zum Scheitern verurteilt gewesen, allein schon wegen seiner völligen Unfähigkeit zur Diskretion. Binnen Kurzem aber hatte sein Vorhaben dank ihrer Beteiligung gefruchtet, und selbst dann noch nicht zur Gänze. Donald war darauf erpicht gewesen, Neil

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