Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr der Nacht

Herr der Nacht

Titel: Herr der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
Vom Netzwerk:
Kopf. Dresaem ergriff, wieder aus bloßem Instinkt, die zwei Hörner des Drachens, um nicht hinunterzufallen, und sofort durchrieselte ihn die ungestüme, wilde Lust zur Gewalt, und er begann mit all seiner beträchtlichen jungen Kraft an seinem Halt zu ziehen und zu zerren.
    Der Drache brüllte laut. Sein fauler, giftiger Atem strömte hervor, doch er verfehlte Dresaem, der hoch oben darüber und dahinter saß, aber sein Geruch bereitete ihm Schwindel und machte ihn damit noch verrückter. Er war erst fünfzehn Jahre alt, aber von einer unnatürlichen Kraft, einer Kraft, die noch verstärkt und damit wirklich übernatürlich wurde durch seinen Mangel an Furcht und Finesse. Er zerrte heftig an den häßlichen Knochenauswüchsen und hatte sie im nächsten Augenblick losgebrochen und von ihren Zapfen gerissen.
    Schwarzes Blut strömte aus den beiden gräßlichen Wunden und machte den Drachen blind. Er bäumte sich auf vor Schmerz. Sein Unbehagen wurde durch die Tatsache verstärkt, daß Dresaem die abgebrochenen Hörner dazu benutzte, sie ihm in den Schädel zu treiben.
    Laut brüllend und völlig blind brach der Drache aus dem Wald und rannte mit dem Kopf voran in die steile Flanke des Berges, wo er sich das Genick brach.
    Dresaem wurde heruntergeworfen, war aber sofort wieder auf den Füßen und schlug die Hörner wie verrückt gegeneinander und sprang vor und zurück über den Rücken des Drachens.
    Als die Soldaten diese ungewöhnlichen Geräusche anstelle der üblicheren hörten, wenn der Drache seinen Opfern nacheinander die Glieder ausriß, stahlen sie sich schließlich ängstlich herbei, um zu sehen, was geschehen war.
    Als sie den Ausgang des Kampfes wahrnahmen, schlugen sie ihre Schilder aneinander und trugen den Drachenleib und Dresaem auf den Schultern in die Stadt. Indirekt hatte dieser wundersame Halbverrückte auch ihre Haut gerettet. Sie hatten die Absicht, wirklich einen Helden aus ihm zu machen.
    Der König war überrascht, aber nicht unzufrieden darüber, daß am Ende doch jemand den Drachen getötet hatte. Wie die Soldaten einen Tag hatten kommen sehen, an dem alle Bauern aufgebraucht sein würden, so hatte der König einen etwas weiter entfernten Tag vorausgesehen, an dem sie alle: Soldaten, Bauern, Höflinge, verschwunden sein würden, und nur er übrigbliebe, um den Hunger des Monsters zu stillen. An dem Gedanken, daß er die im Erlaß gegebenen Versprechen einlösen sollte, konnte er sich jedoch nicht erfreuen. Schätze auf einen unwissenden Klotz zu häufen, und einen schwachsinnigen obendrein, war nicht nach seinem Geschmack. Er bemerkte jedoch den stählernen Glanz in den Augen seiner Soldaten, und wie die Hände seines Hauptmanns auf dem Schwertgriff ruhten. Es hatte immer eine andere Möglichkeit gegeben, was die Fütterung des Drachens anbelangt: daß seine treue Armee revoltieren würde. Der König sah, daß es besser für ihn war, nachzugeben.
    Er ließ Gold und kostbare Steine über den jungen Verrückten regnen, der nur grunzte, mit ihnen spielte, eine Perle zwischen die Zähne schob und sie lachend zerbiß. Die Soldaten sahen den König finster an. Der König führte Dresaem zu einem herrschaftlichen Haus auf dem Grund seines eigenen Palastes. Er zeigte ihm die duftenden Springbrunnen und die Pfauen. Zuletzt öffnete der König eine Tür aus Ebenholz und offenbarte fünfundzwanzig liebliche Jungfern, die in regenbogenfarbene Gaze gekleidet waren, durch die ihre Glieder und Brüste wie Silber glänzten.
    »Aha«, sagte der König, »ich sehe, wir machen Fortschritte.«
    Die Mädchen stießen schwache Schreie aus, als Dresaem zwischen sie sprang und sie bestieg, aber sie waren wohlerzogen. Zumindest war er schön, wenn auch rauh und ungestüm.
    Dresaem wurde des Königs Kämpe. Er selbst wußte nicht wirklich, was er war. Er nahm nur wahr, daß es endlose fleischliche Genüsse hinter der Ebenholztür gab, Berge von Speisen auf dem Tisch und ununterbrochenen Nachschub an Männern zum Kämpfen.
    Mehrere Kämpen aus fremden Regionen mußten gegen Dresaem antreten. Es gab immer einen Monarchen, der glaubte, es besser zu können. Ein safrangelber Riese kam aus dem Norden, so groß wie zwei Männer zusammen. Er hob Dresaem in die Luft, der aber packte das Handgelenk des Riesen in einem unmöglichen Griff, für den er beide Arme und Beine benützte, und drückte es zusammen, bis der Riese um Erbarmen schrie. Ein grauer Riese kam aus dem Westen, aber Dresaem rannte in Kreisen um ihn herum, bis

Weitere Kostenlose Bücher