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Herr der Träume

Herr der Träume

Titel: Herr der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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sie.
    »So?«
    »Hier ist dein Geschenk.«
    Er packte es aus. »Goldene Manschettenknöpfe in Form von Totems. Drei Gesichter übereinander. Ich werde sie Id, Ego und Superego nennen, denn das höchste ist das erhabenste.«
    »Aber das unterste lächelt«, meinte Peter.
    Render nickte seinem Sohn zu. »Ich habe nicht gesagt, welches das höchste ist. Und es lächelt, weil es solche Freuden empfindet, die die vulgäre Herde niemals verstehen wird.«
    »Baudelaire?« fragte Peter.
    »Hm. Ja, Baudelaire.«
    »... aber schlecht zitiert«, stellte Peter fest.
    »Umstände sind eine Sache der Zeit und des Zufalls«, sagte Render. »Baudelaire ist eine Sache des Alten und des Neuen.«
    »Das klingt wie eine Hochzeit«, stellte Peter fest.
    Jill errötete in ihrem schneeigen Pelz, aber Render schien es nicht zu bemerken. »Nun öffne deine Geschenke«, sagte er.
    »Ja.« Peter riß die Verpackung auf. »Ein Chemiekasten«, sagte er. »Einen solchen habe ich mir immer schon gewünscht – Retorten, Bunsenbrenner, Eprouvetten und sogar Königswasser. Wunderbar! Vielen Dank, Miß DeVille.«
    »Nenne mich doch Jill.«
    »Gut, Jill. Danke.«
    »Öffne das andere Paket!«
    »Okay.« Er entfernte das weiße Papier mit den Mistelzweigen und den Glocken.
    »Fabelhaft!« bemerkte er. »Andere Dinge, die ich mir gewünscht habe: ein Familienalbum mit blauem Umschlag, ein Exemplar von ›Renders Rapport an ein Senatskomitee betreffend soziopathische Mißanpassung von Regierungsangestellten‹. Und dann die gesammelten Werke von Lofting, Grahame und Tolkien. Ich danke dir, Papa! Aber da ist ja noch mehr! Tallis, Morely, Mozart und der gute, alte Bach. Wunderbare Töne, die mein Zimmer füllen werden! Danke! Danke! Was kann ich euch schenken? ... Wie wäre es damit?« Er reichte seinem Vater ein Paket und Jill ein anderes.
    Render und Jill öffneten sie.
    »Eine Schachgarnitur«, sagte Render.
    »Eine Schminktasche«, sagte Jill.
    »Danke«, sagte Render.
    »Danke«, sagte Jill.
    »Bitte sehr.«
    »Wie geht es dir mit deinem Tonbandgerät?« fragte Render.
    »Hört zu«, antwortete Peter.
    Er baute seine Anlage auf und spielte. Er spielte einige Weihnachtslieder, und als er geendet hatte, zerlegte er das Gerät wieder und räumte es weg.
    »Sehr schön«, sagte Render.
    »Ja, es war gut«, sagte Jill, »sehr gut ...«
    »Danke.«
    »Wie war es in der Schule?« fragte Jill.
    »Es ging.«
    »Macht dir der Wechsel etwas aus?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Wieso nicht?«
    »Weil ich ein guter Schüler bin. Papa hat mich sehr gut vorbereitet.«
    »Aber du hast ja jetzt andere Lehrer ...«
    Er zuckte mit den Schultern. »Wenn man einen Lehrer kennt, dann kennt man nur einen Lehrer. Wenn man aber ein Gebiet kennt, dann kennt man ein Gebiet. Ich kenne viele Gebiete.«
    »Weißt du etwas über Architektur?« fragte sie plötzlich.
    »Was willst du wissen?« fragte er lächelnd.
    Sie wandte den Blick von ihm ab. »Wie du so fragst, muß ich annehmen, daß du etwas über Architektur weißt.«
    »Ja«, stimmte er zu. »Ich habe vor kurzem einiges darüber gelesen.«
    »Das ist eigentlich alles, was ich wissen wollte.«
    »Danke. Ich freue mich, daß du annimmst, ich weiß etwas darüber.«
    »Aber wieso hast du dich mit Architektur befaßt? Ich bin sicher, das gehört nicht zum Lehrplan.«
    »Nihil hominum.« Er zuckte die Achseln.
    »Okay, ich habe mich nur gewundert.« Rasch senkte sie den Blick auf ihre Tasche. »Was hältst du davon?« fragte sie und nahm sich eine Zigarette heraus.
    Er lächelte. »Was kann man von Architektur halten? Sie ist wie die Sonne: sie ist groß, sie glänzt, und sie ist vorhanden. Das ist ungefähr alles, außer man will spezifisch werden.«
    Sie errötete wieder.
    Render gab ihr Feuer.
    »Ich meine, magst du Architektur?«
    »Ja, wenn es sich um weit entfernte alte Gebäude handelt oder aber um neue, und ich befinde mich darin, wenn es draußen kalt ist. Ich bin Utilitarist, was physischen Genuß betrifft, und Romantiker, wenn es um geistige Dinge geht.«
    »Mein Gott!« sagte Jill und wandte sich Render zu. »Was hast du deinen Sohn gelehrt?«
    »Alles, was ich kann«, antwortete er, »und so rasch ich es kann.«
    »Warum?«
    »Weil ich nicht will, daß ihm eines Tages etwas von der Größe eines Wolkenkratzers, vollgestopft mit Fakten und moderner Physik, auf den Kopf fällt.«
    »Es gehört nicht zum guten Ton, wenn man von Leuten spricht, als wären sie nicht anwesend«, sagte Peter.
    »Richtig«, stimmte Render zu,

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