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Herr der Welt

Herr der Welt

Titel: Herr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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nichts. War es, am Ende der Rennstrecke an-
    gelangt und bei seiner Schnelligkeit, ohne angehalten zu
    werden, in dem Gewässer des Michigansees untergegan-
    gen? Sollte man annehmen, daß der Fahrer samt seiner Ma-
    schine umgekommen wäre, daß niemals wieder von dem ei-
    nen und von der andern die Rede sein würde? Der größere
    Teil des Publikums weigerte sich, an diese Lösung, die beste,
    die es hätte geben können, zu glauben, sondern erwartete,
    beide über kurz oder lang wieder erscheinen zu sehen.
    In den Augen von Mr. Ward gehörte die abenteuerliche
    Geschichte in das Gebiet der ganz außergewöhnlichen Er-
    eignisse, und ich teilte hierin seine Anschauung. Zeigte sich
    die verteufelte Person nicht wieder, dann gehörte sie sicher-
    lich zu den Geheimnissen, die zu ergründen dem Menschen
    nicht gegeben ist.
    Mein Chef und ich hatten über die Angelegenheit ge-
    sprochen, und ich glaubte schon, die Unterhaltung darüber
    wäre zu Ende, als Mr. Ward, nach einigen Schritten durch
    sein Büro, von neuem darauf zurückkam.
    »Ja, dieses Auftauchen auf der Straße nach Milwaukee
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    während des internationalen Wettrennens, das ist gewiß
    höchst seltsam, und für mich, ich gestehe es, nicht am we-
    nigsten!«
    Mr. Ward überreichte mir einen Bericht, der ihm von
    der Polizei in Boston zugegangen war und Vorkommnisse
    betraf, die von den Zeitungen noch denselben Abend zur
    Kenntnis ihrer Leser gebracht wurden.
    Während ich das Schriftstück durchlas, setzte sich Mr.
    Ward an seinen Schreibtisch und vollendete einen vor mei-
    nem Besuch begonnenen Brief. Ich hatte am Fenster Platz
    genommen und studierte den Bericht mit größter Auf-
    merksamkeit.
    Seit einigen Tagen wurden die Gewässer vor Neueng-
    land, in Sicht der Küsten von Maine, Connecticut und Mas-
    sachusetts, von einer Erscheinung beunruhigt, über deren
    Natur sich niemand klarwerden konnte.
    Eine bewegliche Masse, die 2 bis 3 Meilen vom Ufer auf-
    tauchte, glitt dort im schnellsten Tempo umher, entfernte
    sich dann ebenso und verschwand nach kurzer Zeit auf dem
    hohen Meer.
    Die Bewegungen der Masse erfolgten mit solcher Ge-
    schwindigkeit, daß man der Erscheinung selbst mit den
    besten Fernrohren kaum folgen konnte. Ihre Länge mochte
    höchstens 30 bis 40 Fuß betragen. Von Gestalt spindelför-
    mig, war sie von grünlicher Farbe, stimmte also mit der des
    Meerwassers ziemlich überein und erschwerte so jede ge-
    nauere Unterscheidung. Der Teil des amerikanischen Ufers,
    wo sie am häufigsten beobachtet worden war, lag zwischen

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    dem Kap Nord im Staat Connecticut und dem Kap Sable,
    das am westlichen Ende Neuschottlands vorspringt.
    Von Providence, von Boston, Portsmouth und Portland
    aus hatten Dampfschaluppen schon vielmals versucht, sich
    der beweglichen Masse zu nähern und auf sie Jagd zu ma-
    chen; niemals war es aber gelungen, sie einzuholen. Jede
    Verfolgung erwies sich sofort als nutzlos. In wenigen Mi-
    nuten hatte sich die merkwürdige Masse den Blicken entzo-
    gen. Selbstverständlich machten sich über die Natur dieser
    Erscheinungen bald die verschiedensten Ansichten geltend.
    Bisher beruhte aber keine der geäußerten Vermutungen auf
    sicherem Grund, und auch die Seeleute waren sich darüber
    ebenso unklar wie alle anderen.
    Anfänglich glaubten Seeleute und Fischer, es handle sich
    hier um ein Seesäugetier aus dem Geschlecht der Zetazeen
    (Waltiere). Bekanntlich tauchen diese Tiere mit einer ge-
    wissen Regelmäßigkeit, kommen dann nach mehrminüti-
    gem Verweilen unter Wasser wieder an die Oberfläche und
    werfen durch ihre Spritzlöcher mit Luftblasen vermengte
    Wassersäulen in die Höhe. Bis jetzt hatte aber jenes Tier –
    wenn es ein solches war – noch niemals »sondiert«, wie die
    Walfänger sich ausdrücken, noch niemals sich durch Unter-
    tauchen zu schützen gesucht, und noch niemals hatte man
    etwas von geräuschvollem Atmen gehört.
    Gehörte es danach also nicht der Klasse der Seesäugetiere
    an, so mußte man es wohl für ein unbekanntes Ungeheuer
    ansehen, das vielleicht den Tiefen der Ozeane entstammte,
    wie die, die man aus den sagenhaften Schilderungen frü-
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    herer Zeiten kennt. Sollte man es also den Kalmaren, den
    Kraken, den Leviathanen oder den berüchtigten Seeschlan-
    gen zuzählen, vor deren Angriffen man sich zu hüten allen
    Grund hatte?
    Seitdem dieses Ungeheuer, mochte es sein, welches es
    wollte, in den Küstengewässern Neuenglands

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