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Herr der Welt

Herr der Welt

Titel: Herr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Brief
    Nachdem ich Mr. Ward verlassen hatte, suchte ich meine
    Wohnung in der Long Street 34 auf.
    Dort hatte ich Muße, die Sache ungestört – ich habe we-
    der Frau noch Kinder – weiterzuverfolgen. Hier versorgte
    meinen bescheidenen Haushalt nur eine alte Dienerin, die
    früher bei meiner Mutter gewesen und die jetzt schon 15
    Jahre auch bei mir geblieben war.
    1 Monat vorher hatte ich einmal Urlaub bekommen, der
    jetzt noch 14 Tage dauern sollte, wenn er nicht durch un-
    vorhergesehene Zwischenfälle, durch eine unaufschiebbare
    Mission verkürzt wurde.
    Das war, wie der Leser weiß, schon einmal 3 Tage lang
    der Fall gewesen, als ich zur Untersuchung der am Great
    Eyrie beobachteten Erscheinungen entsandt worden war.
    Würde mir jetzt nicht auch der Auftrag erteilt werden,
    einerseits über die Vorfälle auf der Straße nach Milwaukee,
    andererseits über die in den Gewässern von Boston Licht
    zu verbreiten? . . . Das mußte sich ja bald entscheiden. Wie
    — 93 —
    sollte ich aber die Fährte jenes Automobilisten und die des
    verschwundenen Boots oder Schiffs wieder aufspüren? . . .
    Natürlich verlangten das Interesse der Allgemeinheit und
    die nötige Sicherheit auf den Straßen und auf dem Wasser,
    daß für beide Maßnahmen getroffen wurden, diese zu ge-
    währleisten. Freilich, was konnte denn hierin geschehen,
    solange das Erscheinen des oder der Chauffeure von nir-
    gendsher gemeldet wurde, und auch wenn das erfolgte, wie
    konnte man ihrer habhaft werden?
    In meine Wohnung zurückgekehrt, zündete ich mir nach
    Einnahme des Frühstücks eine Pfeife an und nahm eine
    Zeitung zur Hand. Ich muß jedoch gestehen, daß mich die
    Politik sehr wenig interessierte, auch nicht die ewige Zän-
    kerei zwischen Republikanern und Demokraten. Ich schlug
    deshalb sogleich die Spalte mit den vermischten Nachrich-
    ten auf.
    Es wird niemand wundernehmen, daß ich hier zu-
    erst nach einer Mitteilung aus North Carolina bezüglich
    der Angelegenheit des Great Eyrie suchte. Vielleicht fand
    sich hierunter eine von Morganton oder Pleasant Garden
    eingesandte Nachricht. Mr. Smith hatte mir übrigens aus-
    drücklich versprochen, mich auf dem laufenden zu halten.
    Falls aus dem Felsenhorst wieder Flammen emporloderten,
    sollte mir nach Verabredung sofort eine Depesche zugehen.
    Ich glaube ja gern, daß der Bürgermeister von Morganton,
    nicht weniger als ich, den Wunsch hegte, den Zutritt durch
    die Umwallung des Berggipfels zu erzwingen, und daß es
    ihn verlangte, unseren Versuch zu wiederholen, sobald sich
    — 94 —
    dazu Gelegenheit böte. Seit meiner Abreise aus North Caro-
    lina war mir jedoch noch kein Telegramm zugegangen.
    Aus der Zeitung erfuhr ich auch nichts Neues. Das Blatt
    glitt mir aus den Händen, ohne daß ich es bemerkte, und
    ich blieb in Nachdenken versunken sitzen.
    Jetzt ging mir vor allem die Äußerung von Mr. Ward
    durch den Kopf, daß der Chauffeur des Automobils und der
    des Boots möglicherweise ein und dieselbe Person wären.
    Sehr annehmbar erschien es ja auch, daß die beiden Fahr-
    zeuge von derselben Hand konstruiert worden seien. Und
    zweifelsohne enthielten sie die gleiche Art Motor, der ihnen
    die ungeheure, alle bisher aufgestellten Rekorde übertref-
    fende Geschwindigkeit verlieh, die die beiden Gefährte zu
    Lande und zu Wasser entwickelten.
    »Also für beide derselbe Erfinder?« murmelte ich vor
    mich hin.
    Diese Annahme verstieß jedenfalls nicht gegen die
    Wahrscheinlichkeit. Auch der Umstand, daß beide Maschi-
    nen nie gleichzeitig beobachtet worden waren, unterstützte
    diese Anschauung im Grunde noch weiter.
    So sagte ich mir denn:
    »Ja ja: erst das Geheimnis des Great Eyrie und darauf das
    der Bai von Boston! Wird es mir mit dem zweiten ebenso
    gehen wie mit dem ersten? . . . Wird man das eine ebenso-
    wenig ergründen können wie das andere?«
    Ich muß hierzu noch bemerken, daß das neue Vorkomm-
    nis, schon in Anbetracht der öffentlichen Sicherheit, sehr
    weite Kreise tief erregte. Erfolgte ein Vulkanausbruch oder
    — 95 —
    fand in den Blue Ridge Mountains ein Erdbeben statt, dann
    brachte das nur für die Bewohner des benachbarten Gebiets
    ernstlichere Gefahr, konnte dagegen auf irgendeiner Land-
    straße der Vereinigten Staaten, auf irgendeinem amerikani-
    schen Gewässer, dort der Kraftwagen, hier das Boot wieder
    erscheinen, so wäre damit die Gesamtheit der Bürger im-
    mer mit der schwersten Gefahr bedroht.
    Wie durch einen Blitzschlag aus heiterem

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