Herr der Welt
Himmel
mußte jedermann fürchten, überfahren zu werden. Verließ
ein Bürger sein Haus, lief er auch Gefahr, von dem plötz-
lichen Auftauchen jenes Chauffeurs, dem niemand schnell
genug ausweichen konnte, überrascht zu werden. Wage sich
doch einer auf eine Straße in der Stadt oder auf dem Land,
über die jeden Augenblick Geschosse hinsausen können! . . .
Das hoben auch Tausende von Tages- und Wochenblättern
hervor, besonders die, die am eifrigsten gelesen wurden.
Es verwunderte mich auch gar nicht, daß solche Erörte-
rungen den Leuten den Kopf erhitzten, besonders solchen
von dem Schlag meiner alten Dienerin, die steif und fest an
allerlei übernatürliche Dinge glaubte.
Heute, als Grad – so heißt meine Haushälterin – nach
dem Mittagessen den Tisch abräumte und eine Flasche in
der einen, Schüssel und Teller in der anderen Hand hielt,
ging sie nicht gleich hinaus, sondern sah mir unverwandt
ins Gesicht.
»Nun, Mr. Strock«, sagte sie, »noch immer nichts
Neues?«
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»Nicht das geringste«, antwortete ich, wohl erratend,
worauf ihre Frage zielte.
»Der Wagen hat sich noch nicht wieder sehen lassen?«
»Nein, Grad.«
»Das Schiff auch nicht?«
»Auch das Schiff nicht. Selbst die bestinformierten Ta-
gesblätter wissen nichts davon.«
»Aber auf dienstlichem Weg könnten Sie doch . . .«
»Amtlich ist man ebenfalls ohne jede Nachricht.«
»Dann, bitte, sagen Sie mir doch, Mr. Strock, wozu die
Polizei eigentlich nützt?«
»Das ist eine Frage, die ich Gelegenheit genug hatte, mir
selbst zu stellen.«
»Und das ist ja recht beruhigend, Mr. Strock! Da wird ei-
nes schönen Morgens der verwünschte Chauffeur ohne vor-
herige Anmeldung auftauchen und man wird ihn in Was-
hington auf die Gefahr hin, die Passanten zu überfahren,
die Long Street entlangsausen sehen . . .«
»Oho, Grad, dann eröffnete sich die Aussicht, ihn abzu-
fangen!«
»Das wird nimmermehr gelingen, Mr. . . .«
»Warum denn nicht?«
»Weil dieser Chauffeur der Teufel in eigener Person ist,
und der läßt sich von keinem fangen.«
Natürlich, dachte ich, dem Teufel läßt sich ja vieles auf-
bürden, und ich glaube, der ist überhaupt nur erfunden
worden, damit eine Menge guter Leute sich einbilden kön-
nen, zu erklären, was unerklärlich ist. Er hat – nach de-
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ren Ansicht – die Flammen im Great Eyrie angezündet, er
hat den Rekord der Geschwindigkeit auf der Wisconsiner
Landstraße gebrochen, er segelt jetzt in den Gewässern von
Connecticut und Massachusetts wie verrückt umher!
Doch Scherz beiseite . . . sehen wir ab von einer Einmi-
schung des bösen Geistes, die, das seh’ ich wohl ein, der
Fassungskraft weniger kultivierter Gehirne entspricht. Zu
bezweifeln war aber jedenfalls nicht, daß ein menschliches
Wesen hier über zwei Beförderungsmittel verfügte, die sich
auch den vollkommensten, die man bisher kannte, weit
überlegen erwiesen.
Daran schloß sich noch folgende Frage:
Warum hörte man von dem Unbekannten gar nichts
mehr? Fürchtete er vielleicht, daß man sich seiner bemäch-
tigen und das Geheimnis seiner Erfindung, das er offenbar
zu bewahren suchte, entdecken könnte? Wenigstens wenn
er nicht, mit oder gegen seinen Willen – auf diese Lösung
der Frage kam man immer wieder zurück – das Opfer ei-
nes Unfalls geworden wäre und sein Geheimnis mit in die
andere Welt genommen hätte. Wäre er aber in den Gewäs-
sern von Michigan oder von Neuengland umgekommen,
wie hätte man dann jemals seine Spur finden können? . . .
Dann wäre er eben nur vorübergeflogen wie ein Meteor, wie
ein Asteroid, das durch den Weltraum hinzieht, und in tau-
send Jahren würde sein Abenteuer – dem Geschmack aller
Grads des 30. Jahrhunderts angepaßt – einfach zur Legende
geworden sein.
Eine Zeitlang beschäftigten sich die Tagesblätter Ameri-
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kas, bald darauf auch die Europas, mit diesem dunklen Vor-
fall, und es erschienen Artikel haufenweise darüber. Falsche
Nachrichten folgten einander auf dem Fuß, die Sache wuchs
sich zum richtigen Geschwätz aus. Das Publikum der bei-
den Welten nahm daran ein übrigens begreifliches, wun-
derbares Interesse. Ja, wer weiß, ob die verschiedenen Staa-
ten nicht so etwas wie Neid empfanden, daß von diesem
Erfinder Amerika zum Versuchsfeld erwählt worden war,
von dem Mann, der, wenn er Amerikaner war, vielleicht
sein Heimatland mit seiner genialen Erfindung
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