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Herr der Welt

Herr der Welt

Titel: Herr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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darin waren scharf unterschieden, und das
    Ganze umfaßte etwa 20 Zeilen.
    Ich gebe hier eine Abschrift des Briefs, dessen Original
    ich sorgsam aufgehoben habe, schon weil es, zu meinem
    größten Erstaunen, vom Great Eyrie datiert war:
    Great Eyrie, Blue Ridge
    Mountains, North Carolina

    13. Juni
    Mr. Strock
    Oberinspektor der Polizei
    Washington
    Long Street 34
    — 104 —
    Sir!
    Sie haben sich dem Auftrag unterzogen, in den Great
    Eyrie einzudringen. Dazu waren Sie am 28. April mit dem
    Bürgermeister von Morganton und zwei Führern aufgebro-
    chen.
    Damals sind Sie bis an die obere Umwallung des Berges
    hinaufgestiegen und um die Felswand, die Ihnen zum Er-
    klimmen zu hoch war, herumgegangen.
    Sie haben eine Öffnung im Gestein gesucht, doch keine
    gefunden.
    Lassen Sie sich gesagt sein: In den Great Eyrie dringt
    niemand ein, doch der, dem es gelänge, kommt daraus nicht
    wieder heraus.
    Bemühen Sie sich nicht, Ihren Versuch zu wiederholen,
    der Ihnen das zweite Mal nicht besser als das erste Mal gelin-
    gen, für Sie aber von ernsten Folgen begleitet sein würde.
    Behalten Sie diese Warnung im Gedächtnis, sonst könnte
    Ihnen ein Unglück zustoßen.
    H. d. W.
    — 105 —
    7. KAPITEL
    Nun gar drei!
    Ich gestehe, daß ich beim Lesen dieses Briefs zuerst höchst
    erstaunt war und unwillkürlich manches Oho! und Ah! ver-
    nehmen ließ. Meine alte Haushälterin starrte mich an, sie
    wußte offenbar nicht, was sie wohl darüber denken sollte.
    »Haben Sie denn eine unangenehme Nachricht erhal-
    ten?«
    Auf diese Frage Grads – ich hatte ja vor ihr kaum irgend-
    welche Geheimnisse – antwortete ich einfach damit, daß ich
    ihr den Brief von der ersten bis zur letzten Zeile vorlas.
    Grad hörte voll Spannung zu und sah mich mit wirk-
    licher Unruhe an.
    »Das ist ohne Zweifel irgendein Spaßvogel«, sagte ich,
    die Achseln zuckend.
    »Wenn’s nicht der Teufel selbst ist, da das Ding aus dem
    Land des Teufels kommt!« meinte Grad, die nun einmal im-
    mer von diabolischen Eingriffen träumte.
    Als ich allein war, durchflog ich noch einmal das so un-
    erwartete Schreiben, kam aber nach längerer Überlegung
    nur auf den Gedanken zurück, daß es von einem herrühren
    müßte, der sich einen schlechten Witz erlaubte. Ein Irrtum
    war kaum möglich. Mein Abenteuer war ja bekannt gewor-
    den. Alle Zeitungen hatten unsere Mission nach North Ca-
    rolina ebenso eingehend besprochen, wie den Versuch, den
    Great Eyrie aus aller Welt bekannten Gründen zu ersteigen.
    Da hatte nun ein Witzbold, wie es solche überall, selbst in

    — 106 —
    — 107 —
    Amerika, gibt, zur Feder gegriffen und um sich über uns
    lustig zu machen, diesen warnenden Brief geschrieben.
    Nahm man an, daß der in Frage stehende Horst einer Ver-
    brecherrotte als Zuflucht diente, gewissenlosen Burschen,
    die befürchten mußten, daß die Polizei ihren Schlupfwin-
    kel entdeckte, dann würde doch keiner von diesen so un-
    klug gewesen sein, ihn durch einen, wenn auch anonymen
    Brief selbst zu verraten. Solchen mußte doch weit mehr da-
    ran gelegen sein, daß dieser Zufluchtsort unbekannt bliebe.
    Das Schreiben klang ja fast wie eine an die Polizei gerichtete
    Einladung, die betreffende Gegend der Blue Ridge Moun-
    tains einer erneuten Durchsuchung zu unterziehen. Kam es
    darauf an, eine Rotte von Übeltätern einzufangen, so würde
    man schon zu ihnen vorzudringen wissen. Dem Melinit
    oder Dynamit hätte der Mauerkranz gewiß nicht standge-
    halten. Freilich, wie hätten die Übeltäter selbst ins Innere
    gelangen können, wenn es dahin nicht einen Durchgang
    gab, den wir nicht entdeckt hatten? Doch wie dem auch sein
    mochte, und selbst unter Annahme der letzterwähnten Ver-
    mutung . . . nie würde einer den mehr als unklugen Gedan-
    ken gehabt haben, diesen Brief an mich zu richten.
    Demnach blieb nur die eine Erklärung übrig, daß das
    Schreiben von der Hand eines Spaßvogel und Spötters oder
    von der eines . . . Narren herrührte, und ich brauchte mich
    also darüber nicht weiter zu beunruhigen oder überhaupt
    mit der Sache zu beschäftigen.
    Dachte ich auch einen Augenblick daran, Mr. Ward da-
    von Mitteilung zu machen, so entschied ich mich doch da-
    — 108 —
    für, es nicht zu tun. Er hätte dem Brief jedenfalls auch keine
    ernste Bedeutung beigemessen. Dennoch hütete ich mich,
    ihn zu zerreißen, sondern verschloß ihn für alle Fälle in
    meinem Schreibtisch. Erhielt ich noch weitere ähnliche Zu-
    schriften, etwa auch mit

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