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Herr der Welt

Herr der Welt

Titel: Herr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Automobil auf den Landstraßen
    der Union oder das Schiff auf den amerikanischen Mee-
    resteilen.
    Wenn ich mich zu jener Zeit bei Mr. Ward befand, spra-
    chen wir oft von dieser Angelegenheit, die mein Vorgesetz-
    ter nie aus dem Kopf verlor. Sollten jetzt gewiegte Polizis-
    ten die bisher fruchtlosen Nachforschungen fortsetzen oder
    nicht?
    Am Morgen des 27. Juni wurde ich nach dem General-
    Polizeiamt zu Mr. Ward befohlen.
    »Wäre das, lieber Strock«, redete er mich gleich bei mei-
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    nem Eintreten an, »für Sie nicht eine vortreffliche Gelegen-
    heit, eine kleine . . . Scharte auszuwetzen?«
    »Ah . . . Sie meinen die bezüglich des Great Eyrie?«
    »Ganz recht.«
    »Ja, welche Gelegenheit denn?« fragte ich, da ich mir
    nicht sicher war, ob mein Chef im Ernst sprach.
    »Nun«, fuhr er fort, »würde es Ihnen nicht angenehm
    sein, den Erfinder jenes Apparats für dreifache Verwen-
    dungsweise aufzuspüren?«
    »Das will ich meinen, Herr Direktor!« antwortete ich.
    »Geben Sie mir nur Befehl, dazu aufzubrechen, und ich
    werde das Unmöglichste versuchen, Erfolg zu haben. Zwar
    verhehle ich mir nicht, daß es schwierig sein wird . . .«
    »Schwierig in der Tat, Strock, und vielleicht noch schwie-
    riger, als in den Great Eyrie einzudringen.«
    Offenbar hatte mich Mr. Ward bezüglich meiner letzten,
    nicht erfolgreichen Mission gern etwas zum besten. Das ge-
    schah jedoch stets in gutmütiger Weise und eher mit der
    Absicht, mich zu weiterer Tätigkeit anzuspornen. Er kannte
    mich ja genau genug, um zu wissen, daß ich alles in der Welt
    darum gegeben hätte, den damals mißlungenen Versuch zu
    wiederholen. Ich erwartete dazu nur neue Instruktionen.
    »O, ich weiß ja, lieber Strock«, fuhr Mr. Ward im freund-
    schaftlichsten Ton fort, »daß Sie alles getan haben, was in
    Ihrer Macht stand, und ich habe Ihnen wahrlich keinen
    Vorwurf zu machen. Jetzt ist aber vom Great Eyrie nicht
    mehr die Rede. Wenn die Regierung die Zeit gekommen
    glaubt, dessen Umwallung mit Gewalt zu durchbrechen,
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    so genügt es ihr, nur die etwaigen Kosten nicht in Betracht
    zu ziehen, und mit ein paar tausend Dollar wird sie ihren
    Zweck schon erreichen.«
    »Das meine ich auch.«
    »Ich glaube indessen«, fügte Mr. Ward hinzu, »die Hand
    auf die fantastische Person zu legen, die sich uns beständig
    zu entziehen gewußt hat, das ist die Sache der Polizei, und
    zwar einer guten Polizei.«
    »Neuere Berichte über den Fall sind wohl nicht einge-
    gangen?«
    »Nein. Obwohl man alle Ursachen hatte zu glauben, daß
    der Unbekannte sich unter dem Wasser des Kirdallsees be-
    wegte, ist es doch unmöglich gewesen, ihm auf die Spur
    zu kommen. Man möchte sich wirklich fragen, ob er nicht
    auch die Fähigkeit hat, sich unsichtbar zu machen, dieser . . .
    dieser mechanische Proteus!«
    »Wenn ihm diese Gabe auch fehlt«, antwortete ich, »ist
    es höchst wahrscheinlich, daß er sich doch nur sehen läßt,
    wenn es ihm selbst paßt.«
    »Ganz recht, Strock, und meiner Ansicht nach gibt es
    nur ein einziges Mittel, mit einem solchen Original fertig
    zu werden: das eine, ihm einen so hohen Preis für seinen
    Apparat anzubieten, daß er es nicht ausschlagen kann, ihn
    zu verkaufen.«
    Mr. Ward hatte hierin recht. Die Regierung entschloß
    sich auch, einen derartigen Versuch zu machen, um in Ver-
    handlungen mit der geheimnisvollen Person, mit diesem
    »Löwen des Tages« zu treten, denn diese Bezeichnung ver-
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    diente er mehr denn je ein anderer vor ihm. Mit Unterstüt-
    zung durch die Presse mußte der Mann doch bald genug
    erfahren, was man von ihm wollte. Er würde die ganz au-
    ßergewöhnlichen Bedingungen kennenlernen, die man ihm
    für die Auslieferung seines Geheimnisses anbot.
    »Und im Grunde«, schloß Mr. Ward, »welchen persön-
    lichen Nutzen könnte er sich von seiner Erfindung verspre-
    chen? Wäre es nicht weit vernünftiger von ihm, sie recht
    hoch zu verwerten? Es liegt auch keinerlei Grund vor, anzu-
    nehmen, daß der Unbekannte etwa ein Verbrecher und ihm
    daran gelegen wäre, jeder Verfolgung zu spotten.«
    Nach allem, was mir mein Vorgesetzter im übrigen mit-
    teilte, war man höheren Orts jedoch entschlossen, erst an-
    dere Maßnahmen zu treffen, das erwünschte Ziel zu errei-
    chen. Die schärfste Überwachung der Landstraßen, Flüsse,
    Ströme, Seen und Küstengewässer durch zahlreiche Ge-
    heimpolizisten hatte sich bisher als nutzlos erwiesen. Sah
    man den Erfinder nirgends mehr, so

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