Herr der Welt
noch weiter als 15
Meilen von Buffalo entfernt sein, dessen Silhouette sich
bald am nordöstlichen Horizont erheben mußte.
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Tauchten im Lauf unserer Fahrt da und dort Schiffe auf,
so kamen sie doch nur in größerer Entfernung von uns vor-
über, und den Abstand von ihnen regelte der Kapitän ganz
nach seinem Gutdünken. Überdies war die ›Terror‹ auf der
Seefläche sehr wenig sichtbar und von weiter als 1 Meile her
kaum zu bemerken.
Inzwischen begannen die das Ende des Eriesees ein-
rahmenden Höhen jenseits von Buffalo langsam aufzustei-
gen, dieser Trichter, durch den der Eriesee seine Wasser
in das Bett des Niagara gießt. An der rechten Seite liegen
einige Dünen, und da und dort erheben sich vereinzelte
Baumgruppen. Weiter draußen bemerkte ich mehrere Han-
delsschiffe oder Fischkutter unter Segel oder unter Dampf.
Am Himmel hin zogen sich an manchen Stellen Rauch-
streifen, die von einer leichten Brise weitergetragen wur-
den.Woran dachte wohl der Kapitän, als er diesem Hafen zu-
steuerte? . . . Die einfachste Klugheit mußte ihm doch ver-
bieten, sich da hineinzuwagen. Jeden Augenblick erwartete
ich auch, daß er das Steuer umlegen und einen Kurs nach
der Westseite des Sees einschlagen lassen würde . . . wenn er
nicht etwa die Absicht hatte, unterzutauchen, um die Nacht
in der Tiefe des Eriesees zuzubringen.
Diese Zähigkeit aber, immer auf Buffalo zuzufahren, war
unmöglich zu begreifen.
Eben jetzt machte der Steuermann, der nach Nordosten
scharf Ausguck hielt, seinem Gefährten ein Zeichen. Dieser
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erhob sich, ging nach der Mittelluke und stieg in den Ma-
schinenraum hinunter.
Fast gleichzeitig erschien der Kapitän auf dem Verdeck,
trat an den Steuermann heran und sprach mit ihm mit ge-
dämpfter Stimme.
Dieser wies mit der Hand in der Richtung nach Buffalo
hin und auf zwei schwärzliche Punkte, die sich von uns 5 bis
6 Meilen backbord voraus fortbewegten.
Der Kapitän sah aufmerksam nach dieser Seite hinaus,
dann zuckte er die Schultern und setzte sich auf dem Hin-
terdeck nieder, ließ aber an der Fahrt der ›Terror‹ nichts
ändern.
Eine Viertelstunde später erkannte ich, daß sich im
Nordosten zwei Rauchsäulen am Himmel hinzogen. Nach
und nach nahmen die Punkte eine bestimmtere Gestalt an.
Es waren zwei, aus dem Hafen von Buffalo ausgelaufene
Dampfer, die mit großer Geschwindigkeit näher kamen.
Da schoß mir der Gedanke durch den Kopf, daß das die
beiden Torpedojäger sein könnten, von denen Mr. Ward
mir erzählt hatte und die seit einiger Zeit beauftragt waren,
diesen Teil des Sees zu überwachen, dieselben, die ich be-
vollmächtigt war, mir zur Unterstützung heranzurufen.
Die beiden Torpedojäger, zwei Fahrzeuge von neuester
Bauart, gehörten zu den schnellsten der amerikanischen
Marine. Von den stärksten und vollendetsten Maschinen
bewegt, hatten sie bei ihren Probefahrten 27 Meilen in der
Stunde erreicht.
Die ›Terror‹ war ihnen in der Geschwindigkeit freilich
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noch weit überlegen, und erschien für diese, wenn sie zu
hart bedrängt wäre, ein Entweichen unmöglich, so brauchte
sie ja nur unterzutauchen, um vor jeder Verfolgung sicher
zu sein.
Die beiden Torpedojäger hätten doch Unterseeboote
sein müssen, einen Kampf mit einiger Aussicht auf Erfolg
aufnehmen zu können, und ich weiß nicht einmal, ob die
Kampfkräfte dann einander gleich gewesen wären.
Kaum zweifelhaft erschien mir jetzt, daß die Führer jener
Schiffe eine entsprechende Meldung erhalten hatten; viel-
leicht hatte ihnen Wells, nach der Rückkehr nach Toledo,
eine Depesche zugehen lassen. Es war augenscheinlich, daß
sie nach Sichtung der ›Terror‹ mit größter Geschwindigkeit
auf diese zufuhren. Und dennoch setzte der Kapitän, ohne
sich um die Feinde zu kümmern, ruhig die Fahrt nach dem
Niagara hin fort.
Was hatten nun wohl die Torpedojäger vor?
Offenbar manövrierten sie so, daß die ›Terror‹, Buffalo
an Steuerbord liegen lassend, mehr in eine Ecke des Erie-
sees gedrängt würde, da der Niagarastrom ihr keinen Aus-
gang bot.
Der Kapitän hatte die Pinne des Steuers ergriffen, der
eine seiner Leute befand sich auf dem Vorderteil, der an-
dere im Maschinenraum.
Jetzt erwartete ich die Aufforderung, mich in meine Ka-
bine zurückzuziehen.
Zu meiner größten Befriedigung erfolgte diese nicht, ja
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ich muß sogar sagen: keiner kümmerte sich um mich, so,
als ob ich
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