Herr der Welt
der ›Terror‹ aufgefischt worden zu sein. Zum Glück
sollte die Frage, ob und wie man mich hier zu ernähren ge-
dächte, sofort ihre Lösung finden.
Der Mann vom Vorderdeck, der einmal nach dem Schiff-
sinnern hinuntergegangen war, kam eben wieder zum Vor-
schein.
Ohne ein Wort zu sagen, setzte er verschiedene Spei-
sen vor mich hin und zog sich sogleich wieder nach seinem
Platz zurück.
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Fleischkonserven, geräucherter Fisch, Schiffszwieback
und ein Gefäß mit so starkem Ale, daß ich es mit Wasser
verdünnen mußte, daraus bestand das Frühstück, dem ich
alle Ehre antat. Die Mannschaft hatte jedenfalls schon ge-
gessen, bevor ich meine Kabine verließ, wenigstens leistete
mir keiner davon Gesellschaft.
Aus den Leuten war nichts herauszulocken, und ich ver-
fiel wieder in mein früheres Nachsinnen.
Wie wird dieses Abenteuer enden? fragte ich mich. Werde
ich den unsichtbaren Kapitän wohl einmal zu sehen bekom-
men, und wird er mir die Freiheit wiedergeben? Oder sollte
es gelingen, sie mir gegen seinen Willen zu verschaffen? . . .
Das würde von den Umständen abhängen. Doch wenn sich
die ›Terror‹ immer in großer Entfernung von jedem Ufer
hält oder wenn sie gar untertaucht, wie wäre es da möglich,
sie zu verlassen? Mußte ich denn auf jeden Fluchtversuch
verzichten, wenn sie sich nicht gelegentlich zum Automobil
umwandelte?
Und doch – warum sollte ich’s nicht gestehen – von hier
zu entweichen, ohne etwas von den Geheimnissen der ›Ter-
ror‹ durchschaut zu haben, mit dem Gedanken konnte ich
mich nicht anfreunden! . . . Denn hatte ich mich bisher we-
gen meiner neuen Lage zu beglückwünschen – hätte ich da-
bei doch bald das Leben eingebüßt – und bot die Zukunft
eigentlich auch mehr schlechte als gute Aussichten . . . je-
denfalls war die ganze Angelegenheit jetzt schon um einen
Schritt vorwärtsgekommen. Freilich, wenn ich mit meines-
gleichen nicht wieder in Verbindung treten konnte, wenn
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ich wie der in Acht und Bann erklärte »Herr der Welt«
gleichsam außerhalb der Menschheit stand . . .
Die ›Terror‹ fuhr immer nach Nordosten, das heißt in
der Längsrichtung des Eriesees weiter. Sie bewegte sich jetzt
nur mit mittlerer Geschwindigkeit, denn wäre diese so weit
erhöht worden, wie das möglich war, so hätte es nur we-
niger Stunden bedurft, das nordöstliche Ende des Sees zu
erreichen.
Hier hat der Eriesee aber keinen andern Ausgang als den
Niagarastrom, der ihn mit dem Ontariosee verbindet. Etwa
15 Meilen unterhalb Buffalo, einer bedeutenden Stadt des
Staats New York, ist dieser jedoch durch die berühmten
Wasserfälle gesperrt. Steuerte die ›Terror‹ nicht den Detroit
River hinauf, so konnte sie dieses Gebiet nicht verlassen,
ohne einen Weg über Land einzuschlagen.
Die Sonne war vor kurzem durch den Meridian gegan-
gen. Das Wetter war schön, die Hitze zwar ziemlich stark,
doch erträglich infolge der Brise, die über das Wasser strich.
Die Ufer des Sees blieben, auf der kanadischen wie auf der
amerikanischen Seite, noch immer unsichtbar.
Geschah es vom Kapitän wohl mit Absicht, sich mir nicht
zu zeigen? . . . Hatte er so besondere Gründe, sich nicht se-
hen zu lassen? . . . Deutete diese Vorsicht vielleicht darauf
hin, daß er beschlossen hatte, am Abend, wenn die ›Terror‹
an einem Ufer angelegt hätte, mich wieder freizulassen?
Nein, wahrscheinlich nicht.
Gegen 2 Uhr nachmittags entstand ein leichtes Geräusch,
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der Deckel der mittleren Luke hob sich, und die so ungedul-
dig erwartete Person erschien auf dem Deck.
Ich muß freilich sagen: er wandte mir nicht mehr Auf-
merksamkeit zu als seine Leute, sondern ging nach dem
Steuermann hin und nahm auf dem Hinterdeck Platz.
Nach wenigen, gedämpften Tons gewechselten Worten ver-
schwand der Steuermann im Maschinenraum.
Der Kapitän ließ den Blick über den Horizont hin schwei-
fen, warf auch einmal ein Auge auf den vor dem Steuer ste-
henden Kompaß und veränderte dann ein wenig den Kurs,
während die Geschwindigkeit der ›Terror‹ zunahm.
Der Mann schien die 50 um einige Jahre überschritten
zu haben. Er war mittelgroß, hatte breite Schultern und eine
recht aufrechte Haltung, einen mächtigen Kopf, kurze, mehr
graue als weiße Haare und weder Schnurr- noch Backen-
bart, nur einen dichten Kinnbart, wie die Amerikaner ihn
tragen. Seine Arme und Beine waren muskulös, Ober- und
Unterkiefer stark
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